Wenn die Röhre bebt
Ecuador: Streit um neue Mega-Pipeline
Im Folgenden dokumentieren wir Auszüge aus einem Beitrag, der am 31. März in der Schweizer Wochenzeitung WoZ erschien.
Von Yvonne Zimmermann, Quito
... Seit in Ecuador Genaueres zum Bau der 503 Kilometer langen Öl-Pipeline
«Oleoducto de Crudo Pesado» (OCP) bekannt geworden ist, haben sich
die Auseinandersetzungen um das Megaprojekt zugespitzt. Zur Wehr
setzen sich AnwohnerInnen der betroffenen Gebiete und
UmweltschützerInnen, und das aus gutem Grund: Die Röhre, die vom
ecuadorianischen Amazonasgebiet bis zum Pazifischen Ozean führen soll,
müsste hierbei eine erdbebengefährdete Zone entlang sechs aktiven
Vulkanen durchqueren. Elf Naturschutzgebiete wären bedroht. Doch das
OCP-Konsortium, dem von Repsol-YPF, Occidental Oil bis zur Agip
sieben transnationale Ölunternehmen angehören, versucht die Proteste im
Keim zu ersticken.
Zu Ostern wurden zwanzig UmweltschützerInnen aus einem Protestcamp
bei Mindo – einem Dorf, zwei Stunden nordwestlich der Hauptstadt Quito –
verhaftet. Unter ihnen befanden sich vierzehn AusländerInnen, unter
anderem aus der Schweiz und den USA. Neun von ihnen wurden des
Landes verwiesen und mit einer Einreisesperre von fünf Jahren belegt.
Weitere zehn Personen kamen nach einer Woche Untersuchungshaft
wieder frei: Die richterliche Anhörung hatte die Unrechtmässigkeit der
Verhaftungen zutage gefördert. Die Umweltorganisation Acción Ecológica
mit Sitz in Quito ist überzeugt, dass hinter den willkürlichen Verhaftungen
und Ausschaffungen das OCP-Konsortium steckt. Ihre Sprecherin Natalia
Arias berichtet, dass die OCP sowohl die Busse zum Transport der
Verhafteten stellte als auch für das Essen der an der Operation beteiligten
Polizisten aufkam. Der Anwalt Raúl Moscoso betonte in Quito, dass die
Aktion der Polizei ohne Absprache mit einer richterlichen Behörde
stattfand. Gegen fünf ecuadorianische StaatsbürgerInnen leitet die Justiz
unterdessen dennoch Strafverfahren wegen Sachbeschädigung und
Nötigung ein. Sie hätten durch das Protestcamp in dem Naturschutzgebiet
bei Mindo die Bauarbeiten behindert. ...
Bereits im Januar war es bei Mindo zu Auseinandersetzungen gekommen.
Seit dem 3. Januar hält die Bevölkerung einen Hügel besetzt, über den die
Pipeline führen soll. Die EinwohnerInnen von Mindo haben landesweit eine
führende Rolle im Widerstand gegen die Pipeline übernommen. Bei ihnen
soll die Röhre durch einen Nebelwald und eines der artenreichsten
Vogelschutzgebiete Südamerikas führen. Von den in dem geschützten
Gebiet lebenden 450 Vogelarten sind 46 vom Aussterben bedroht. Die
örtliche Bevölkerung lebt zum grössten Teil vom Tourismus. Sie sieht
durch die Pipeline ihre Existenzgrundlage gefährdet.
Durch die neue Pipeline soll doppelt so viel Erdöl an die Küste transportiert
werden wie bisher. Acción Ecológica listet für die letzten Jahre allein 49
Pipeline-Unfälle auf, bei denen nach Erdbeben oder Erdrutschen 68
Millionen Liter Öl ausflossen. Mit der Errichtung der 1,1 Milliarden
US-Dollar teuren Pipeline soll die Ölförderung in Ecuador um das Doppelte
gesteigert werden. Ab kommendem Jahr, so der Plan, sollen durch die
neue Röhre zusätzlich bis zu 450.000 Barrel ecuadorianisches Rohöl an
die Küste gebracht werden. Bereits in den vergangenen Jahrzehnten
wurden infolge der Ölbohrungen im ecuadorianischen Amazonasgebiet
tausende von Hektaren Urwald zerstört und das Wasser verschmutzt. Am
stärksten davon sind die indianischen Gemeinschaften betroffen. ...
Die vom Pipeline-Bau betroffene Bevölkerung wurde von den Erdölfirmen
nie konsultiert. Im Gegenteil. Viele Bauern und Landbesitzer wurden unter
Druck gesetzt, damit sie ihre Grundstücke verkauften. «Es ist ganz
simpel: Wenn wir überleben wollen, müssen wir unsere Natur erhalten»,
sagt Wilfrido Vaca, Aktivist aus Mindo. «Wir dürfen einem so riskanten
Projekt nicht zustimmen.» Finanziert wird die neue Pipeline überwiegend
von Banken aus Europa und den USA, darunter die US-amerikanischen
Finanzinstitute Citybank und Morgan Chase und die Westdeutsche
Landesbank (WestLB).
Aus: WoZ-Online, 21. März 2002 (www.woz.ch)
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