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Reinigungskosten

Der US-Ölkonzern Chevron hat den ecuadorianischen Regenwald zur Giftmülldeponie gemacht. Die Ureinwohner verlangen Schadenersatz: mehr als zehn Milliarden US-Dollar

Von Emad Mekay/IPS *

Die einflußreiche ecuadorianische Indigenenvereinigung CONAEI hat ihre Regierung aufgefordert, einige Bosse des US-amerikanischen Ölkonzerns Chevron zu verklagen. Die CONAI vertritt die Interessen von Millionen Ureinwohnern. Ihre Sprecher werfen den Chevron-Chefs vor, mit kriminellen Methoden ökologische Schäden vertuscht zu haben. Chevron weist die Anschuldigungen zurück und meint, man habe sich längst mit den einheimischen Behörden geeinigt.

Bis in die 90er Jahre beutete der Energieriese Erdölquellen im Amazonas-Regenwald aus. Als Mitte der 90er dafür vor Gericht Entschädigungszahlungen für die Umweltschäden festgesetzt wurden, heißt es in einem CONAEI-Schreiben an die Regierung in Quito, operierte Chevron mit gefälschten Untersuchungsergebnissen. Der Prozeß war langwierig. Für den Ölkonzern ging es dabei um Milliarden US-Dollar. Er kam deutlich billiger weg.

Namentlich beschuldigt die Indigenenvereinigung zwei leitende Chev­ron-Angestellte indigener Herkunft, Rodrigo Perez Pallares, Chevron-Repräsentant in Ecuador, und Ricardo Reis Veiga, einen in Miami ansässigen Vizepräsidenten des Konzerns. Diese beiden hätten die Vorlage gefälschter Labortest veranlaßt, um die Umweltschäden zu bagatellisieren.

Statt die giftigen Rückstände an den Bohrstellen ordnungsgemäß zu entsorgen, heißt es in dem Schreiben des Indigenenverbandes weiter, habe Chev­ron die Abfalldeponien lediglich mit Erdreich, Ästen und Blättern abdecken lassen. Die Anwälte der Kläger hätten diese Schlampigkeit damals nicht bemerkt.

Für Vertreter der US-amerikanischen Umweltorganisation »Amazon Watch« sind die Anwürfe begründet. »Es geht darum, daß Texaco (heute Chevron) damals gezielt versuchte, Beweise vorzulegen, die zur Fehleinschätzung der Qualität der Säuberungsaktion führen sollten. Man wollte die ecuadorianische Regierung täuschen und ihr vormachen, mit der vorgenommenen Säuberung sei alles in Ordnung«, sagt Sprecher Kevin Koenig.

Von 1964 und 1992 betrieb der Erdölgigant 320 Bohrstellen im ecuadorianischen Regenwald. Der Prozeß gegen ihn wurde 2003 neu aufgerollt. Üble Hinterlassenschaften waren entdeckt worden: Die ökologisch sensible Amazonasregion war um etwa 1 000 offene Giftmülldeponien reicher geworden, viele Millionen Kubikmeter Giftmüll waren hier eingelagert.

Chevron erklärt, 1998 ein 40 Millionen Dollar teures Säuberungsprogramm abgeschlossen zu haben. Anschließend hätten Ecuadors Umweltbehörden den Konzern aus allen Verpflichtungen im Zusammenhang mit der Erdölförderung entlassen. Nach Ansicht von Aktivisten und Vertretern lokaler Gemeinden liegt der tatsächlich von Chevron verursachte Schaden weit über den Reinigungskosten. »40 Millionen Dollar scheinen eine Menge Geld zu sein, doch im Vergleich zu dem tatsächlichen Ausmaß des Schadens ist es wenig«, so Koenig.

Als das US-amerikanische Unternehmen 'Global Environment Operations' eine unabhängige Schadensbewertung vornahm, schätzte es die erforderlichen Säuberungskosten auf mindestens 6,14 Milliarden Dollar. Zusammen mit persönlichen Schadensforderungen könnten nach Ansicht von Anwälten der Kläger weit über zehn Milliarden Dollar fällig werden.

Weil Ecuadors staatliche Erdölgesellschaft PetroEcuador damals an der Förderung maßgeblich beteiligt war, sagen die Verantwortlichen von Chevron, sollen sich die klagenden Umweltaktivisten und indigenen Organisationen mit ihren Forderungen an die Regierung halten. »Die Republik Ecuador hat klargestellt, daß es keinen Grund gibt, die Klage wegen Betrugs zu unterstützen«, erklärte Chevron-Vize Veiga. »Im Verlauf des mehr als zwei Jahre dauernden Prozesses vor dem Gericht in Nueva Loja wurden 45 von 122 gerichtlich verfügten Kontrollen von Bohrstellen abgeschlossen. Die überwältigende Mehrheit der Ergebnisse zeigt, daß den Menschen, die in der Region Oriente an gesäuberten Bohrstellen leben, keine signifikanten gesundheitlichen Risiken drohen, die durch das Erdöl verursacht sind.«

Dagegen führt das Schreiben des Indigenen-Verbandes gänzlich andere Fakten auf. Danach liegt an vielen der unter Gerichtsaufsicht kontrollierten 45 Chevron-Bohrstellen die Konzentration von Krebs erzeugenden Chemikalien immer noch hundert- bis tausendfach über den in den USA vorgeschriebenen Normen. Das Ende des laufenden Schadenersatzprozesses wird im Sommer erwartet. Die endgültige Gerichtsentscheidung allerdings dürfte erst 2008 vorliegen.

* Aus: junge Welt, 22. März 2007


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