Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Machtspiel ohne Inhalt

Sozialdemokraten in Dominikanischer Republik zerfleischen sich

Von Hans-Ulrich Dillmann, Santo Domingo *

In der Dominikanischen Republik steht es um die Sozialdemokratie schlecht. Neun Jahre ist die Partido Revolucionario Dominicano (PRD) in der Opposition – und bis 2016 wird es keine Wahlen mehr geben.

Der Abschwung ist sichtbar: Im Abgeordnetenhaus ist die einstmals stärkste Partei PRD nur noch mit 73 von 178 Mandatsträgern vertreten. Im 32-köpfigen Senat sitzt kein Vertreter der Dominikanischen Revolutionspartei mehr, überall hat die regierende Partei der dominikanischen Befreiung (PLD), eine Abspaltung der PRD, das Sagen.

Und jetzt hat die Polizei auf Anordnung des Obersten Wahlgerichtshof auch noch die Parteibüros der »Blancos«, wie die Sozialdemokraten nach ihren weißen Parteifahnen genannt werden, besetzt. Die Polizeiaktion ist der derzeitige Höhepunkt einer Auseinandersetzung, dessen Folgen noch nicht absehbar sind.

Auf einer Parteivorstandssitzung in der vergangenen Woche, an der der PRD-Präsidentschaftskandidat des Vorjahres, Hipólito Mejia, ausdrücklich nicht eingeladen war, stürmten Männer aus seiner Umgebung den Sitzungssaal. Stühle flogen, mit Fäusten gingen Anhänger des gescheiterten Amtsbewerbers und des derzeitigen Vorsitzenden, Miguel Vargas Maldonado, aufeinander los. Dann fielen Schüssen und mehrere Personen mussten verletzt ins Krankenhaus eingeliefert werden. Nichts geht mehr zwischen den Genossen. »Es ist nur noch ein Hauen und Stechen«, sagt ein ehemaliges führendes Mitglied der Politischen Kommission der Sozialdemokraten. »Ein Machtspiel, bei dem der Inhalt schon längst verloren gegangen ist.«

Seit die »Blancos« 2004 die Regierungsverantwortung nach vier Jahren Misswirtschaft, bei der sie das Land bis an den Rand des Staatsbankrotts regierten, verloren haben, ist der Streit um die Macht innerhalb der PRD eskaliert. Der damals abgewählte, heute fast 72- jährige Agraringenieur Hipólito Mejia zog sich zwar offiziell aus dem Parteigeschäft zurück, im Hintergrund agierte er jedoch als der große Strippenzieher.

Sein Widersacher, sein ehemaliger – dabei reich gewordener – Bauminister Miguel Vargas Maldonado schaffte es, den Parteivorsitz zu erobern und 2008 bei den Präsidentschaftswahlen als PRDKandidat erfolglos anzutreten. Den Gescheiterten beerbte wiederum Mejía, der von seinen Anhängern nur Papá gerufen wird, vier Jahre später. Er wurde auch nicht gewählt. Aber für die Niederlage gegen die konkurrierende PLD machte er seinen Parteirivalen Vargas verantwortlich. Der habe sich von der Konkurrenz kaufen lassen und ihn nicht im Wahlkampf unterstützt.

Eine richtige Beobachtung. Nicht nur, dass PRD-Chef Vargas nicht zur Wahl von »Papá« aufrief und bei keinem Wahlauftritt präsent war, seine Gattin twitterte hämisch über Mejía als einen tumben Bauern, der sich nicht zum Staatschef eigne. Und dass Vargas Unsummen an Bauaufträgen kassiert, die ihm die regierende Konkurrenzpartei zugeschanzt hat, das pfeifen die Spatzen von der Hauptkathedrale im Zentrum von Santo Domingo.

Seit dem Vorjahr tobt aber der sozialdemokratische Kleinkrieg. Mejía rief den Parteirat ein, um Vargas abzusetzen, der bemühte das Oberste Wahlgericht, um dies für illegal erklären zu lassen. Dann sollte sich Mejía vor dem obersten Parteigremium wegen parteischädigenden Verhaltens verantworten, worauf dieser mit einem außerordentlichen Parteitag konterte, zu dem nur seine Gefolgsleute eingeladen waren. Der Beschluss der »offiziellen« Parteiführung Ende Januar, Mejía auszuschließen, führte zur Eskalation. Jetzt will die katholische Kirche zwischen den Streitenden vermitteln.

* Aus: neues deutschland, Mittwoch, 06. Februar 2013


Zurück zur Dominikanischen Republik-Seite

Zurück zur Homepage