Machtspiel ohne Inhalt
Sozialdemokraten in Dominikanischer Republik zerfleischen sich
Von Hans-Ulrich Dillmann,
Santo Domingo *
In der Dominikanischen Republik
steht es um die Sozialdemokratie
schlecht. Neun Jahre ist die Partido
Revolucionario Dominicano (PRD) in
der Opposition – und bis 2016 wird
es keine Wahlen mehr geben.
Der Abschwung ist sichtbar: Im
Abgeordnetenhaus ist die einstmals
stärkste Partei PRD nur noch
mit 73 von 178 Mandatsträgern
vertreten. Im 32-köpfigen Senat
sitzt kein Vertreter der Dominikanischen
Revolutionspartei
mehr, überall hat die regierende
Partei der dominikanischen
Befreiung (PLD), eine
Abspaltung der PRD, das Sagen.
Und jetzt hat die Polizei auf
Anordnung des Obersten
Wahlgerichtshof auch noch
die Parteibüros der »Blancos«,
wie die Sozialdemokraten
nach ihren weißen Parteifahnen
genannt werden, besetzt.
Die Polizeiaktion ist der derzeitige
Höhepunkt einer Auseinandersetzung,
dessen Folgen noch nicht absehbar sind.
Auf einer Parteivorstandssitzung
in der vergangenen Woche, an der der PRD-Präsidentschaftskandidat
des Vorjahres, Hipólito Mejia, ausdrücklich
nicht eingeladen war, stürmten
Männer aus seiner Umgebung den
Sitzungssaal. Stühle flogen, mit
Fäusten gingen Anhänger des gescheiterten
Amtsbewerbers und
des derzeitigen Vorsitzenden, Miguel
Vargas Maldonado, aufeinander
los. Dann fielen Schüssen und
mehrere Personen mussten verletzt
ins Krankenhaus eingeliefert
werden. Nichts geht mehr zwischen
den Genossen. »Es ist nur
noch ein Hauen und Stechen«, sagt
ein ehemaliges führendes Mitglied
der Politischen Kommission der
Sozialdemokraten. »Ein Machtspiel,
bei dem der Inhalt schon
längst verloren gegangen ist.«
Seit die »Blancos« 2004 die Regierungsverantwortung
nach vier Jahren Misswirtschaft, bei der sie
das Land bis an den Rand des
Staatsbankrotts regierten, verloren
haben, ist der Streit um die Macht
innerhalb der PRD eskaliert. Der
damals abgewählte, heute fast 72-
jährige Agraringenieur Hipólito
Mejia zog sich zwar offiziell aus
dem Parteigeschäft zurück, im
Hintergrund agierte er jedoch als
der große Strippenzieher.
Sein Widersacher, sein ehemaliger
– dabei reich gewordener –
Bauminister Miguel Vargas Maldonado
schaffte es, den Parteivorsitz
zu erobern und 2008 bei den
Präsidentschaftswahlen als PRDKandidat
erfolglos anzutreten. Den
Gescheiterten beerbte wiederum
Mejía, der von seinen Anhängern
nur Papá gerufen wird, vier Jahre
später. Er wurde auch nicht gewählt.
Aber für die Niederlage gegen
die konkurrierende PLD
machte er seinen Parteirivalen
Vargas verantwortlich. Der habe
sich von der Konkurrenz kaufen
lassen und ihn nicht im Wahlkampf
unterstützt.
Eine richtige Beobachtung.
Nicht nur, dass PRD-Chef Vargas
nicht zur Wahl von »Papá« aufrief
und bei keinem Wahlauftritt
präsent war, seine Gattin
twitterte hämisch über Mejía
als einen tumben Bauern, der
sich nicht zum Staatschef eigne.
Und dass Vargas Unsummen
an Bauaufträgen kassiert,
die ihm die regierende Konkurrenzpartei
zugeschanzt hat, das pfeifen die Spatzen
von der Hauptkathedrale im
Zentrum von Santo Domingo.
Seit dem Vorjahr tobt aber
der sozialdemokratische
Kleinkrieg. Mejía rief den
Parteirat ein, um Vargas abzusetzen,
der bemühte das
Oberste Wahlgericht, um dies
für illegal erklären zu lassen.
Dann sollte sich Mejía vor dem
obersten Parteigremium wegen
parteischädigenden Verhaltens
verantworten, worauf dieser
mit einem außerordentlichen Parteitag
konterte, zu dem nur seine
Gefolgsleute eingeladen waren.
Der Beschluss der »offiziellen«
Parteiführung Ende Januar, Mejía
auszuschließen, führte zur Eskalation.
Jetzt will die katholische
Kirche zwischen den Streitenden
vermitteln.
* Aus: neues deutschland, Mittwoch, 06. Februar 2013
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