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Sozialdemokrat Mejia will an die Macht zurück

Kopf-an-Kopf-Rennen bei den Präsidentschaftswahlen in der Dominikanischen Republik

Von Hans-Ulrich Dillmann, Santo Domingo *

Bei den Präsidentschaftswahlen in der Dominikanischen Republik am Sonntag wird mit einem knappen Ausgang gerechnet. Das Duell lautet wie 2000 Danilo Medina gegen Hipólito Mejía, der ihn 2000 deutlich geschlagen hat.

David gegen Goliath. Bei seinem Kampf um das Präsidentenamt der Dominikanischen Republik scheut sich Sozialdemokrat Hipólito Mejíja nicht vor biblischen Vergleichen. Der Spitzenkandidat der oppositionellen Dominikanischen Revolutionären Partei (PRD) will die regierende Partei der dominikanischen Befreiung (PLD) nach zwei Amtsperioden aus dem Regierungspalast vertreiben. Er kämpfe gegen einen Gegner, der den Staatsapparat und öffentliche Mittel einsetze, um sich die Macht für weitere vier Jahre zu sichern.

Seit Monaten skandieren die PRD-Anhänger siegessicher in den Straßen des Landes: »Papa ist da«. Mejía, der das Land schon einmal vier Jahre lang bis 2004 regiert hat und unter dessen Regentschaft es am Rande des Staatsbankrotts stand, könnte die Siegerrechnung jedoch ohne die Mehrheit der mehr als 6,5 Millionen Stimmberechtigten gemacht haben.

Zwar führte er lange bei Umfragen, aber jetzt bringt ihn sein »loses Mundwerk« ins Straucheln. Frauen regen sich auf, weil er die Hintern von Oppositionspolitikerinnen öffentlich kommentierte. Und den Zorn der Haushaltshilfen zog er sich zu, als er verkündete, diese würden aus den Kühlschränken der Herrschaften die Filetstücke klauen, um sie ihren Liebhabern zu kredenzen.

Dagegen rollt die Wahlkampfmaschinerie der neoliberalen PLD perfekt. Der amtierende Präsident Leonel Fernández darf nicht mehr kandidieren. Er schickt ein ehemaliges Mitglied seines Kabinetts ins Rennen. Der wenig charismatisch wirkende Danilo Medina hat nur einen Makel: 2000 unterlag der 60-jährige Ökonom seinem jetzigen Konkurrenten Mejía sangund klanglos. Nun liegt Medina laut letzten Umfragen knapp über 50 Prozent, was zum Sieg im ersten Wahlgang reichen würde.

Rückenwind erhielt Medina, seit sich Fernández’ Gattin Margarete Cedeño als Vizepräsidentin an seine Seite gestellt hat. Um die Leistungen der PLD-Regierung zu dokumentieren, reist ihr Gatte Leonel durchs Land: Brücken und Schulen werden eröffnet, eine zweite Metro-Linie wurde pünktlich zum Wahlkampf fertig, neue Hochstraßen und Tunnel sollen das Verkehrschaos in der Hauptstadt Santo Domingo, in der 3,5 Millionen Menschen leben, zu beseitigen.

Zwar verfügt das Land mit 4,5 Prozent im Jahr 2011 über das höchste Wirtschaftswachstum in Zentralamerika, aber die Armut ist kaum gesunken, die Handelsbilanz chronisch defizitär. Die Säuglingssterblichkeit gehört zur höchsten, die schulische Bildung zur schlechtesten in der Region. Mehr als 50 Prozent der Bevölkerung leben von Gelegenheitsarbeiten.

Die Regierungspartei ist nach zwei Amtsperioden übermächtig. Vetternwirtschaft und Korruption sind allgegenwärtig. Allein das Sportministerium hat 34 Staatssekretäre ohne Aufgaben. Ein enger Vertrauter des Präsidenten, der Senator Felix Bautista, der vor 16 Jahren noch mittellos war, ist heute Multimillionär und steht im Zentrum eines Korruptionsskandals.

Der 71-jährige Agrarwissenschaftler Mejía gießt seit Tagen zusätzlich Öl in die Flamme des Wahlkampfes: »Nur ein Wahlbetrug kann uns noch aufhalten«, verkündet er und verstärkt damit die Zweifel an sauberen Wahlen in dem Land, das in den 7er- bis 90er-Jahren für seine manipulierten Wahlen berüchtigt war. Ein Gefolgsmann Mejías, der ehemalige Polizeichef des Landes, Pedro Candelier, droht sogar offen mit Gewalt: Die PRD-Mitglieder seien ausreichend bewaffnet, um »ihre Stimmen und den Wahlsieg zu verteidigen.«

* Aus: neues deutschland, Samstag, 19. Mai 2012


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