Dominikanische Republik lenkt widerwillig ein
Regierung stoppt die Aberkennung der Staatsbürgerrechte für die haitianischstämmigen Einwohner
Von Hans-Ulrich Dillmann, Santo Domingo *
Die geplante Ausbürgerung von
250 000 haitianischstämmigen Dominikanern
ist vom Tisch. Zähneknirschend
hat das Parlament nach
internationalem Druck ein neues
Gesetz verabschiedet.
Liana Deguis Pierre schaut skeptisch.
»Ich glaube das erst, wenn ich meine
Ausweispapiere in der Hand habe«,
sagt die 30 Jahre alte Frau. Ende Mai
hat das dominikanische Parlament ein
Gesetz angenommen, das die Aberkennung
der Staatsbürgerschaft von
rund einer viertel Million Dominikanern
mit haitianischen Eltern zurücknimmt.
Die Tochter von haitianischen
Einwanderern hat Geschichte
geschrieben, denn ihr Fall hat so
viel internationales Aufsehen erregt,
dass sich der Staatspräsident Danilo
Medina gezwungen sah, den Deputierten
und Senatoren ein neues Gesetz
vorzulegen.
Mit dem Beschluss wurde ein Urteil
des Obersten Verfassungsgerichtes
außer Kraft gesetzt. Die Richter
hatten im September entschieden, das
Recht, wonach alle im Land geborenen
Kinder Staatsbürger sind, den
Kindern haitianischer Einwanderern
rückwirkend bis 1929 zu verweigern.
Das Verfassungsurteil war ergangen,
weil Deguis Pierre gegen die
Verweigerung des Standesamtes geklagt
hatte, ihr eine Geburtsurkunde
auszustellen, obwohl sie im Register
eingetragen ist. Ohne diese Bescheinigung
kann man in der Dominikanischen
Republik weder zur Schule
gehen, noch eine Arbeitsstelle antreten
oder seine Kinder ordnungsgemäß
registrieren lassen.
Die Eltern der 30 Jahre alten Frau
waren mit offizieller Genehmigung
aus Haiti in die Dominikanische Republik
eingereist, um auf den Zuckerrohrfeldern
zu arbeiten. Mit diesem
Arbeitsausweis war Deguis im
Geburtsregister eingetragen worden
und galt danach als dominikanische
Staatsbürgerin. Früher hatten alle im
Land geborenen Kinder mit Ausnahme
von Diplomaten und »Personen im
Transit« automatisch einen Rechtsanspruch
auf Staatsbürgerschaft.
Mit einem 2010 in Kraft getretenen
Gesetz, das sich speziell gegen die
große Zahl illegaler Einwanderer aus
Haiti richtete, wurde ihren Neugeborenen
dieses Recht abgesprochen. Deguis,
obwohl ihr Vater offensichtlich
nicht illegal war, verlor plötzlich den
Status einer Staatsbürgerin.
Für internationale Empörung
sorgte das Grundsatzurteil vor allem
deshalb, weil der Oberste Gerichtshof
das neue Gesetz noch dadurch
verschärfte, dass es anordnete, das
Personenstandsregister auf »fremde
Namen« zu durchforsten, um die Aberkennung
der Staatsbürgerschaft
auch noch rückwirkend bis 1929 auf
alle haitianischen Einwanderer anzuwenden.
Wahl- und Ausländerbehörde,
beide werden von Mitgliedern
rechtsnationalistischer Kreise geleitet,
hatten unmittelbar damit begonnen,
die entsprechenden Ausweispapiere
einzuziehen. Die Interamerikanische
Menschenrechtskommission
hatte daraufhin die Regierung
der Dominikanischen Republik
nach Washington vorgeladen und
schriftlich kritisiert.
Das neue Gesetz stellt fest, dass alle
Personen, die offiziell eine Geburtsurkunde
bekommen haben, auch wenn dies »rechtswidrig erfolgt« sei, als Staatsbürger anerkannt
werden. Die Standesbeamten hätten
damals in Unkenntnis der wirklichen
rechtlichen Lage gehandelt, heißt es
beschönigend. Genaro Rincón, der
Anwalt von Juliana Deguis Pierre
kündigte an, er werde die Klage vor
dem Interamerikanischen Menschengerichtshof
solange weiter betreiben,
bis seine Mandantin endlich
ihren Ausweise als dominikanische
Staatsbürgerin ausgehändigt bekomme.
* Aus: neues deutschland, Donnerstag, 5. Juni 2014
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