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Allianz gegen "Alleinfresser"

Dominikanische Republik: Präsident sucht solide Parlamentsmehrheit

Von Hans-Ulrich Dillmann, Santo Domingo*

Die Wähler in der Dominikanischen Republik stehen hinter ihrem autoritären Präsidenten. Doch seine Partei mögen sie offenbar weniger.

Ginge es nach 82 Prozent der Befragten, würde die Polizei mit »eiserner Faust« gegen angebliche oder tatsächliche Gesetzesbrecher vorgehen. Und als Präsidenten bevorzugen sie nach wie vor den seit zwei Jahren amtierenden Leonel Fernández Reyna. Der setzt mit seinem Programm »Sicheres Viertel« auf größere Polizeipräsenz in den Armenvierteln und Zentren sozialer Unruhe. Immer wieder sterben Personen nach »Schusswechseln mit der Polizei«.

Die Beliebtheit des 52-jährigen Rechtsanwalts scheint aber nicht auf seine Partido de la Liberación Dominicana (PLD), Partei der Dominikanischen Befreiung, abzufärben. Bei den an diesem Dienstag stattfindenden Parlamentswahlen ist eine erneute Niederlage der PLD wahrscheinlich. »Leoncito«, der »Kleine Löwe«, wie ihn seine Anhänger nennen, müsste weiterhin gegen eine oppositionelle Mehrheit der sozialdemokratischen Revolutionären Dominikanischen Partei (Partido Revolutionario Dominicana, PRD) und der rechtskonservativen Sozialchristlichen Reformistischen Partei (Partido Reformista Social Cristiano, PRSC) regieren. Im 32-köpfigen Senat sitzen nur zwei PLD-Abgeordnete.

In der Deputiertenkammer sind die Abgeordneten der Befreiungs-Partei mit 41 von derzeit noch 150 Mandatsträgern hoffnungslos in der Minderheit. Dabei sind die makroökonomischen Daten des Landes auf den ersten Blick exzellent: Ein durchschnittliches Wirtschaftswachstum im Vorjahr von 9,3 Prozent und ein fast stabiler Dollar-Peso- Wechselkurs belegen das. Unter »Leoncitos« Vorgänger Hipólito Mejía war der Peso nur halb so viel wert. Doch der statistische Fortschritt ändert nichts an der »gefühlten Verarmung« innerhalb der Bevölkerung. »Wir haben keine Arbeit und leiden Hunger«, sagt Doña Lilia im Armenviertel Caputillo. Nachts schließen sich die Menschen in ihren Häusern ein, weil an vielen Ecken Drogenbanden das Regiment übernommen haben.

»Die Wirtschaft hat sich zwar erholt«, räumt Fernseh-Kommentator José Israel Cuello, früherer Chef der dominikanischen KP, ein. »Aber die Armen haben nichts davon. Es fehlen Arbeitsplätze.« Dabei soll sich der Wirtschaftsboom in den ersten drei Monaten dieses Jahres nach Angaben des Präsidentenbüros mit einer Wachstumsrate von über 12 Prozent niederschlagen. Von den rund 8,7 Millionen Einwohnern leben aber nach wie vor 3 Millionen an der Armutsgrenze oder sogar darunter. Die offizielle Arbeitslosenzahl liegt um 18 Prozent, allerdings leben fast 50 Prozent der Dominikaner von Gelegenheitsarbeit.

Zwar brummt die Branche der Telekommunikation. Immer neue Sendemasten werden für die wachsende Schar von Handybesitzern errichtet. Aber im Elektroniksektor werden vornehmlich ausländische Spezialisten eingesetzt. Auch im Baubereich läuft es gut: Eine Metro soll mit Hilfe aus dem Ausland das tägliche Verkehrschaos lindern, moderne Hochhäuser wachsen. Aber die manuellen Arbeiten werden mehrheitlich von haitianischen Illegalen für Minilöhne ausgeführt. Und die Steigerung des Verkaufsumsatzes von Luxuslimousinen ist dem gestiegenen Einkommen in der Mittelklasse des Landes geschuldet, deren Mitglieder vornehmlich in den Ministerien beschäftigt sind. Der Tourismussektor meldet Zuwachsraten: Fast eine viertel Million Deutsche machten im Vorjahr Urlaub in der Karibikrepublik.

Dass sich die positive Wirtschaftsentwicklung nicht bis in die Armenviertel spürbar ist, begründen Präsident Fernández und seine Berater mit der Blockadepolitik des Senats und der Deputiertenkammer. Mehrmals hat die PRD- und PRSC-Mehrheit Staatsanleihen abgelehnt und von der Weltbank geforderte staatliche Umstrukturierungsmaßnahmen blockiert. Mit der »Alianza Progresista« will PLD-Chef Fernández eine solide Mehrheit im Ober- und Unterhaus des Parlaments suchen. Vor allem soll aber verhindert werden, dass die PRD des früheren Präsidenten Hipólito Mejía an Einfluss gewinnt. Mejía hatte das Land zwischen 2000 und 2004 durch Korruption und Misswirtschaft an den Rand des Ruins gebracht. Die »große nationale Allianz« zwischen PRSC und PRD dagegen will den Preis für die Regierungspolitik hochtreiben – gegen die neoliberalen »Comesolos« der PLD, die »Alleinfresser«, wie sie der Volksmund nennt.

* Aus: Neues Deutschland, 16. Mai 2006


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