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Deutsche Mineralien vor Madagaskar

Bundesrepublik erhält Lizenz zur Suche nach Rohstoffen in der Tiefsee

Von Hermannus Pfeiffer *

Seltene Rohstoffe sind teuer und werden oft in sogenannten Risiko-Staaten gefördert. In Zukunft will Deutschland Erze und Mineralien daher lieber am Meeresboden abbauen – im Indischen Ozean.

Die Entscheidung war von langer Hand vorbereitet. Auf seiner diesjährigen Jahrestagung in Kingston, Jamaika, bewilligte der Rat der Internationalen Meeresbodenbehörde (ISA) kürzlich den Antrag Deutschlands auf eine Lizenz zur Exploration »polymetallischer Sulfide« am Grund des Indischen Ozeans. In bis zu 4000 Metern Tiefe soll nun nach Buntmetallen wie Kupfer, Blei oder Zink sowie vor allem nach sogenannten Hochtechnologiemetallen gesucht werden.

Damit ist »der Weg frei für die weitere Erkundung von Rohstoffen«, freut sich ein Sprecher von Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD). Der Tiefseebergbau könne zur Versorgungssicherheit Deutschlands langfristig beitragen und eröffne »interessante Marktchancen« für deutsche Hersteller von Meerestechnologie, so der Sprecher. »Vor allem deutsche Mittelständler haben hier umfangreiches Know-how und nehmen technologisch einen Spitzenplatz ein.«

Die federführende Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) in Hannover wird nun in einem 10 000 Quadratkilometer großen Gebiet südöstlich von Madagaskar gezielt den Tiefseeboden erkunden. Bereits seit 2011 fanden zur Vorbereitung der Lizenzerteilung drei Expeditionen in die »Rodriguez Triple Junction« vor Madagaskar statt. »Die Wissenschaftler«, so ein BGR-Sprecher, »entdeckten dabei vielversprechende Vorkommen.«

Für die Rohstoffe der Zukunft wird kräftig technologisch aufgerüstet. Erst im Juli hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in Rostock das 116 Meter lange Forschungsschiff »Sonne« getauft. Baukosten: 124,4 Millionen Euro. Mit Blick auf die Arktis arbeiten die zuständigen Behörden an der Ausschreibung für ein zweites Forschungsschiff. Die Schiffe sind Teil des Forschungsprogramms Meerestechnik der Bundesregierung, das im kommenden Jahr fortgeschrieben werden soll. Dieses orientiert sich am »Nationalen Masterplan Maritime Technologien«, den noch das schwarz-gelbe Bundeskabinett 2011 verabschiedet hatte.

Etwa 500 oft namhafte Unternehmen wie Würth oder RWE arbeiten in der Meerestechnik. Wichtiger für den Tiefseebergbau sind aber heimliche Champions, Bohrtechniker wie Aker Wirth in Erkelenz oder die auf Ölförderung im Kaspischen Meer spezialisierten Ingenieure von IMPaC in Hamburg. Als dickster Fisch der Branche gilt allerdings Siemens. Der Münchner Konzern testet im norwegischen Trondheim in seinem »Subsea Technology Centre« ein vollautomatisches Kraftwerk am Meeresboden. Es wäre die Voraussetzung für den Tiefseebergbau. Als das größte Problem gilt dabei der Wasserdruck in mehreren tausend Meter Tiefe.

Vor Madagaskar ist geplant, dass ein vom Forschungsschiff »Sonne« gezogener, mit Sensoren ausgestatteter Schlitten den Meeresboden erkundet. Ziel ist es, Metallsulfidvorkommen zu identifizieren, die an den Austrittsstellen ehemals aktiver heißer Quellen (»schwarze Raucher«) entstanden sind. Eine weitere begehrte Rohstoffquelle sind sogenannte Manganknollen – Klumpen, die verschiedene Metalle enthalten. Vor einigen Jahren erwarb die Bundesrepublik eine erste Explorationslizenz im Zentralpazifik. Eine Expedition der Rohstoffbundesanstalt entdeckte dort kürzlich eine Million Tonnen Wertmetalle in Manganknollen. Der Fund würde etwa 15 Jahre Bergbau ermöglichen. Beide Lizenzen können in eine Abbaulizenz münden.

Bislang gibt es jedoch noch kein internationales Regelwerk für einen geordneten Bergbau. Streitpunkte in der Meeresbodenbehörde ISA mit ihren 160 Mitgliedsländern (ohne USA) sind unter anderem Umweltverträglichkeitsprüfungen und die spätere Kontrolle. 2016 könnten die ersten Länder mit dem Tiefseebergbau beginnen, darunter China, Russland und Frankreich.

* Aus: neues deutschland, Mittwoch 6. August 2014


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