Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Kupferrausch in der Lausitz

Boliviens Expräsident ist in Deutschland als Geschäftspartner willkommen

Von Benjamin Beutler *

Die KSL Kupferschiefer Lausitz GmbH ist ein deutsches Bergbauunternehmen«, heißt es auf der Webseite der unscheinbaren Firma, die im südbrandenburgischen Spremberg in der Langen Straße zu finden ist. Nahe der polnischen Grenze will KSL mit »zuverlässiger Kraft« und »langem Atem« das heute größte Kupfervorkommen Europas heben. Es winken Milliardengewinne. Seit der Jahrtausendwende klettern die Preise des lachsrosafarbigen Metalls in die Höhe, über elf Prozent im Jahr. Dabei ist der »Kupferschatz der Lausitz« schon lange bekannt, bereits zu DDR-Zeiten wurde zwischen Spremberg und dem sächsischen Weißwasser nach Rohstoffen aller Art gesucht. Gehoben wurden die Bodenschätze bisher nicht. Doch seit Geologen 2007 auf einer Fläche von 15 Kilometern Länge und drei Kilometern Breite die Existenz von rund 1,5 Millionen Tonnen Erz bestätigt haben, ist im äußersten Osten der Republik ein wahrer Kupferrausch ausgebrochen.

Welche Schatzjäger sich die Landesregierung und das Landesamt für Bergbau mit der KSL an Bord geholt hat, scheint in der strukturschwachen Region am Rand der Republik niemanden zu kratzen. 5000 Arbeitsplätze und Investitionen von 700 Millionen Euro, diesem Köder konnte die Administration nicht widerstehen. Nur auf den ersten Blick ist KSL – die mit örtlichen Behörden derzeit an der Einleitung eines Raumordnungsverfahrens arbeitet – ein normaler Geschäftspartner. Das Unternehmen ist eine 100prozentige Tochterfirma der Bergbau-Holding Minera S.A. mit Sitz im Steuerparadies Panama. Zwar benennt die Kupferschiefer Lausitz GmbH »Transparenz als oberstes Gebot«, über den heimlichen Strippenzieher im Mutterunternehmen hüllt sie aber den Mantel des Schweigens.

Hierzulande ist der Minera-Gründer Gonzalo »Goni« Sánchez de Lo­zada, dessen Sohn Sebastian Sánchez de Lozada den Familienbetrieb leitet, für viele vielleicht unbekannt. In Bolivien aber keinesfalls. Dort gilt der 81jährige als unbeliebtester Politiker aller Zeiten. Seiner Bergbaufirma COMSUR schusterten Politfreunde Lizenzen zu, am Fiskus vorbei wurden Mineralien im Millionenwert ins Ausland geschmuggelt, Staatseigentum wurde in die eigene Tasche privatisiert.

Als halb Bolivien 2003 gegen den korrupten Staatschef auf die Straße ging, erteilte der gebürtige Texaner der Armee den Schießbefehl. Die von US-Beratern in »Aufstandsbekämpfung« trainierten Militärs richteten ein Blutbad an. Unter den Demonstranten, die gegen den Ausverkauf der zweitgrößten Gasreserven Süd­amerikas über Chile gen Kalifornien protestierten, gab es 67 Tote und über 400 zum Teil schwer Verletzte. Bewohner der Armensiedlung El Alto hatten die Hauptverkehrsadern zum Regierungssitz La Paz blockiert. Das Militär schoß den Weg für eine Benzintransport frei. Dem »Schwarzen Oktober« war der »Schwarze Februar« vorausgegangen, als Scharfschützen von den Dächern der Hauptstadt Jagd auf streikende Polizeieinheiten und Passanten machten. Grund der Massenproteste war die katastrophale Privatisierungspolitik von »Goni«, der das Andenland unter der Ägide von IWF und Weltbank in Armut und Chaos gestürzt hatte. Schließlich floh der zweimalige Präsident samt seiner US-Berater und Kabinettsmitglieder in die USA, im Gepäck gefälschte Pässe und ein Koffer voller Geld, das zuvor von der Nationalbank abgehoben worden war.

Seit seinem Sturz ist »Goni« auf der Flucht vor Boliviens Justiz. Bisher konnte er sich auf ein breites Netzwerk von Protegés verlassen, darunter John Kornblum, Washingtons Exbotschafter in Berlin, der bei KSL-Events vor Ort ist. Doch könnte es für Lozada eng werden. Nach einer diplomatischen Eiszeit zwischen den USA und Bolivien setzt Tauwetter ein. Anfang März wurde die Wiederbestellung von Botschaftern vereinbart. Nun soll die Rechtsgrundlage für ein Auslieferungsverfahren erarbeitet werden.

* Aus: junge Welt, 8. März 2012


Zurück zur Deutschland-Seite

Zur Bolivien-Seite

Zurück zur Homepage