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Die fünfte Gewalt

In der Bundesrepublik hat sich eine weitverzweigte und wirkungsvolle Israel-Lobby etabliert. Über Frieden in Nahost redet sie wenig

Von Karin Leukefeld *

Gemeinsam für Israel« war der Slogan, mit dem für einen »organisationsübergreifenden« Kongreß in Frankfurt geworben wurde, der Ende Oktober 2010 unter der Schirmherrschaft von Charlotte Knobloch, damals noch Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland, und Yoram Ben-Zeev, Botschafter Israels in Deutschland stattfand. Israel sei nicht allein, hieß es auf der Webseite zum Kongreß, der mit einem Forderungskatalog von »über 80 Israel-solidarischen gesellschaftlichen Gruppen« endete. Über 1100 Teilnehmer hätten an dem Treffen teilgenommen, heißt es im Fazit der Organisatoren, man sei sich einig geworden, »den souveränen Staat Israel in seinem Streben nach Frieden und Sicherheit zu unterstützen«. Angesichts der »bevorstehenden Herausforderungen der nächsten Jahre« müsse man sich »dem jüdischen Staat mit den uns zur Verfügung stehenden Mitteln auf allen Ebenen zur Seite« stellen. Auf dem Kongreß sprachen demnach »Spitzenredner und Funktionäre« über Israel und Hamas, Hisbollah und Iran, das Israelbild in den Medien, über Antisemitismus und Antiisraelismus und was man dagegen tun könne.

Forderungskatalog

Die zum Schluß der Konferenz verabschiedete Acht-Punkte-Erklärung hält Forderungen fest, für die die Kongreßteilnehmer sich fortan »im Sinne der deutsch-israelischen Freundschaft« einsetzen wollen. Dazu gehört das Existenzrecht für den Staat Israel mit einer »ungeteilten Hauptstadt Jerusalem« – was Völkerrecht und allen UN-Resolutionen widerspricht – ein aktiveres »deutsches Bekenntnis« für den Staat Israel, geschlossenes Abstimmen der Deutsch-Israelischen Parlamentariergruppe (im Deutschen Bundestag) gegen »antiisraelische und unausgewogene Resolutionen«. Maßnahmen gegen »Antizionismus und Antisemitismus« werden gefordert, konsequentes Einsetzen für die Freilassung des israelischen Soldaten Gilad Shalit, Beendigung aller Geschäftsbeziehungen und der Politik des kritischen Dialogs mit dem Iran, der als »menschenverachtendes und verbrecherisches Regime« abgelehnt wird. Die öffentlich-rechtlichen und andere Medien werden aufgefordert, »Befürwortern der Politik der Hamas oder eines ›Dialogs‹ mit dieser Terrororganisation« weniger Raum einzuräumen und »Mitgliedern jüdischer oder israelischer Randgruppen wie der sogenannten ›Jüdischen Stimme für einen gerechten Frieden in Nahost‹ keinen überproportionalen Raum zur Selbstdarstellung zu bieten«, weil sie nicht repräsentativ seien. Politik und »alle Teile der Gesellschaft« sollten die Beziehungen zu »Israel als einziger rechtsstaatlicher Demokratie im Nahen Osten« fördern und vertiefen, »mehr Schüleraustausch, mehr Israelreisen, mehr Städtepartnerschaften, mehr wissenschaftlichen und kulturellen Austausch« und »mehr Handel (…) für den Mittelstand«. Kein Wort über den Besatzerstaat Israel, kein Wort über den illegalen Mauerbau und Landraub, kein Wort über die Blockade von Gaza oder die 1967 besetzten arabischen Gebiete Golan, West Bank und Ostjerusalem. Kein Wort über die anhaltende Vertreibung der Palästinenser und den Abriß ihrer Häuser, kein Wort über Rassismus in Israel. Kein Wort darüber, wie Israel zum Frieden in der Region beitragen kann.

Der Forderungskatalog wendet sich an die deutsche »Politik und alle Teile der Gesellschaft« und entspricht dem einer klassischen Lobbygruppe, die für bestimmte Interessen eintritt. In diesem Fall allerdings handelt es sich um die Interessen eines anderen Staates – Israel –, der nicht nur die viertgrößte Militärmacht der Welt ist, sondern als Besatzungsmacht die palästinensische Bevölkerung unterdrückt und vertreibt und seit Jahrzehnten das Völkerrecht und UN-Resolutionen ignoriert. Dabei wird Israel von seinen westlichen Verbündeten, auch von der Bundesregierung, durch deren Schweigen nicht nur geschützt, sondern finanziell auch noch großzügig entlohnt.

Hetzkampagnen

Den Lobbyismus bezeichnet man seit einigen Jahren neben Legislative, Exekutive, Jurisdiktion und den Medien als »Fünfte Gewalt«, die sich für Interessen von Teilen einer organisierten Bevölkerung bei der Regierung stark-macht. Die »80 israelsolidarischen gesellschaftlichen Gruppen hinter dem »Kongreß für Israel« stellen die wohl führende »Israel-Lobby in Deutschland« dar, eine Interessenvertretung Israels in Deutschland. Ihr gehören Deutsch-Israelische und Christlich-Jüdische Gesellschaften an, die Sächsischen Freunde Israels und Christen an der Seite Israels, eine Prozionistische Linke Frankfurt und viele andere Vereine und Zentren. Alle agieren erklärtermaßen ganz im Sinne der Werbekampagne, wie sie das israelische Außenministerium für das Jahr 2011 finanziert, um das ramponierte Image des Staates aufzupolieren.

Mit dabei ist auch die Webseite Honestly Concerned, deren Arbeitsschwerpunkt seit 2002 nach eigenen Angaben die »Medienbeobachtung« ist. »Wir nehmen Einfluß und engagieren uns für eine wahrhaftige Berichterstattung über Israel, Juden und jüdische Themen in den Medien«, heißt es in der Selbstdarstellung. Über Mailinglisten und ein Netzwerk weiterer Internetseiten (Achse des Guten, Lizas Welt, Political Incorrect u.a.m.) mobilisiert Honestly Concerned Gleichgesinnte gegen Veranstaltungen, Vorträge und Ausstellungen und nimmt kritische Berichterstattung zur israelischen Politik aufs Korn. Damit aber nicht genug. Bekannte Kritiker der israelischen Besatzungspolitik werden regelrecht gemobbt und mit Hetzkampagnen als »Antisemiten« diffamiert, was in Deutschland strafrechtliche Konsequenzen haben kann. Ausführlich dokumentiert diese Tätigkeit das Palästina-Portal von Ehrhard Arendt, der damit selber zum »Zielobjekt der Jagdliste« von Honestly Concerned geworden ist. Der Journalist Ludwig Watzal, Evelyn Hecht-Galinski, Felicia Langer, Alfred Grosser, Norman Finkelstein, Rupert Neudeck und viele andere wurden bereits vom presserechtlich Verantwortlichen von »Honestly Concerned«, Sacha Stawski –mit tatkräftiger Unterstützung williger Politiker und Medienvertreter – denunziert, angezeigt und teilweise mit Schreib-, Rede- und Auftrittsverboten »zur Strecke gebracht«.

Informationen: www.israelkongress.de ; www.arendt-art.de ; www.lib-hilfe.de

* Aus: junge Welt, 14. Januar 2011

Werbekampagne: Suche nach »Verbündeten«

Das israelische Außenministerium hat die Ausgaben für die Öffentlichkeitsarbeit seiner Botschaften in acht europäischen Staaten verdoppelt. Die Öffentlichkeitsarbeit solle kampagnenartig verstärkt werden, hieß es in einem Schreiben des Ministeriums an die israelischen Vertretungen in London, Berlin, Rom, Madrid, Paris, Den Haag, Oslo und Kopenhagen, das auszugsweise in der israelischen Tageszeitung Haaretz zitiert wurde. Mit Hilfe professioneller Beratung und PR-Experten sollen demnach Multiplikatoren in jedem Land gefunden werden, die bereit seien, die Botschaft Israels zu verbreiten. Bis zum 16. Januar 2011 solle jeder Botschafter eine Liste mit mindestens 1000 »Verbündeten« erstellen, die regelmäßig mit Informationen versorgt werden könnten.

Diese »Verbündeten« sollten bereit sein, sich für Israel einzusetzen, sei es bei Demonstrationen, Kundgebungen oder durch Zeitungsartikel. Als »Verbündete« bevorzugt das israelische Außenministerium dabei Angehörige der jüdischen Gemeinden, Aktivisten christlicher Organisationen, Journalisten, Politiker, Intellektuelle, Akademiker und Studentenaktivisten. Diese sollten mit professionellen Werbeagenturen zusammenarbeiten, die von den Botschaften bezahlt würden. Zielgruppe der Kampagne seien »einflußreiche Elemente«, die direkt angesprochen werden sollten.

Die Botschaften würden vom Außenministerium mit extra zusammengestelltem Material versorgt, das diese an die »Verbündeten« und Werbeagenturen weiterleiten wird. Dabei gehe es um die israelische Position zum Friedensprozeß und den Siedlungsbau, israelische Aktivitäten im Bereich von Technologie, Wirtschaft, Tourismus sollten hervorgehoben werden. Und auch andere Entwicklungen im Mittleren Osten, wie die Rolle der Hisbollah im Libanon, Menschenrechte in Iran und Syrien sollen in dem Werbematerial enthalten sein. Schließlich sei es Aufgabe der genannten Botschaften, Reisegruppen einflußreicher Persönlichkeiten zusammenzustellen, die Israel besuchen sollten. Einmal monatlich solle eine öffentliche Veranstaltung in den Botschaften stattfinden.

Um den Erfolg der Öffentlichkeitskampagne zu überprüfen, sollten die Botschaften alle drei Monate anhand eines Fragebogens über die Arbeit mit ihren »Verbündeten« berichten.

(Haaretz/kl)



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