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Zu viele Auslandseinsätze

Hunderte Berufssoldaten verlassen jährlich die dänische Armee

Andreas Knudsen, Kopenhagen *

564 Offiziere und Unterführer haben in den ersten vier Monaten dieses Jahres die Uniform der dänischen Armee an den Nagel gehängt, rund 2000 Stellen sind unbesetzt. Das politische Ziel, ständig 2000 Mann für Auslandseinsätze bereit zu haben, ist offiziell weiter gültig, aber in der Praxis kaum mehr realisierbar.

Die Einsätze in Irak und Afghanistan zehrten und zehren an den Kräften des dänischen Heeres. Es ist nicht die Rekrutierung militärisch interessierter junger Männer, die die größte Herausforderung darstellt, obwohl allein in diesem Jahr bereits acht in Afghanistan gefallen sind. Das Problem ist, die Rekrutierten nach der Ausbildung und einer kürzeren Dienstzeit zu behalten. Es ist in der Regel die Angst der Familien, die Soldaten dazu bewegt, ins Zivilleben zurückzukehren.

Eine Untersuchung der dänischen Armee aus dem Vorjahr wies aus, dass jeder Dritte unzufrieden war mit der Häufigkeit der Auslandseinsätze. Wenn man über Jahre hinweg ein Drittel seiner Dienstzeit in Kampfzonen verbringt, hat das Konsequenzen für das Familien- und das soziale Leben. Insbesondere jüngere Offiziere und Unteroffiziere verlassen deshalb häufig das Militär.

Um kurzfristig Offiziere ausbilden zu können, führte die Offiziersschule eine zweijährige Ausbildung ein – die Hälfte der normalen Zeit. Diese Notlösung wird intern kritisiert, da man fürchtet, unzureichend ausgebildete Offiziere ins Feld zu schicken. Auch die geplante Entsendung von Heimwehrsoldaten für die Bewachung dänischer Kasernen in Afghanistan stößt auf Ablehnung im Heer.

Die dauerhafte Stationierung von rund 1300 Mann im Ausland setzt voraus, dass die dafür ausgebildeten Truppen zahlenmäßig wenigstens vier Mal so stark sind, um akzeptable Rotationsabstände zu sichern. Jesper K. Hansen, Vorsitzender des Personalvereins des Herres, schätzte gegenüber dänischen Medien ein, dass »die ganze Organisation zum Bersten gespannt ist«. Tim Sloth Jørgensen, der in Kürze den Oberbefehl über die Streitkräfte übernehmen wird, warnte gar davor, dass Dänemark um 2011 oder 2012 nicht mehr in der Lage sein könnte, an internationalen Einsätzen teilzunehmen.

Das Verteidigungsministerium hat zusammen mit dem Oberkommando bereits eine Reihe von Maßnahmen ergriffen, um die Streitkräfte als Arbeitsplatz attraktiver zu machen. So wurden die Zuschläge für Auslandseinsätze erhöht und die Betreuung der Familien verbessert. Doch wird dies wohl allenfalls auf längere Sicht Wirkung zeigen.

Den Gehaltsunterschied zwischen Armee und Wirtschaft können die Streitkräfte jedenfalls nicht aus eigener Kraft ausgleichen. Sie wären auf den guten Willen des Parlaments angewiesen. Möglich wäre dagegen eine Umstrukturierung der Streitkräfte. Ihre Verteilung über das Land wurde kräftig verändert, um Einsparungen und Effektivitätssteigerungen zu erzielen. Viele Längerdienende und insbesondere Zivilbeschäftigte, die das Gros der Techniker stellen, waren jedoch nicht bereit, Wohnsitz und soziale Position zugunsten einer Stationierung in einer geografischen Randlage aufzugeben.

Zu Dänemarks Außenpolitik gehört seit den 90er Jahren auch militärisches Engagement. Es begann mit Einsätzen auf dem Balkan und kulminierte mit den gleichzeitigen Einsätzen in Irak und Afghanistan. Auch nach dem Rückzug des größten Teils der rund 500 Soldaten aus Irak sind dort weiterhin 50 Mann, vor allem Hubschrauberpiloten und -techniker, stationiert. Dazu kommen 300 Mann in Kosovo, 700 Mann Kampftruppen in Afghanistan und die Beteiligung an sieben anderen, kleineren Beobachtermissionen unter UN-Regie.

* Aus: Neues Deutschland, 27. Mai 2008


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