Kann man mit Kopftuch Recht sprechen?
Heftige Debatte in Dänemark über religiös motivierte Arbeitsbekleidung bei Amtspersonen
Von Andreas Knudsen, Kopenhagen *
Dänische Richter haben dieser Tage das von der Regierung für sie geplante Verbot von Kopftuch,
Turban und anderen religiös motivierten Kleidungsstücken zum Teil scharf abgelehnt. Der
Vorsitzende des Richterverbandes, Jørgen Lougart, zeigte sich schon deshalb »außerordentlich
verwundert«, weil es keinen Richter und keine Richterin im Lande mit Kopftuch oder Turban gebe.
Eine interne Richtlinie in der Gerichtsverwaltung zur Frage, ob eine Richterin während ihrer Arbeit im
Gerichtssaal ein muslimisches Kopftuch tragen dürfe, ist dabei, in Dänemark ein generelles Verbot
religiöser Symbole für bestimmte Amtspersonen auszulösen. Einen konkreten Anlass für die
Richtlinie gibt es nicht, weil es gegenwärtig keine muslimischen Bewerber für ein Richteramt gibt.
Aber die ausgesprochene generelle Erlaubnis lieferte der Dänischen Volkspartei die Möglichkeit,
sich erneut als Bewahrer dänischer Werte zu profilieren.
Im Kern geht es darum, ob ein Richter, Polizist oder Soldat seine Arbeit neutral, dem Geist und den
Buchstaben des Gesetzes entsprechend ausführen und gleichzeitig seine Zugehörigkeit zu einer
bestimmten Religion demonstrieren könne. Zugleich ist die Diskussion Teil des Kampfes um die
Werte, die die hiesige Gesellschaft prägen sollen: »Multikulti« oder trotz einer muslimischen
Minderheit dänische Werte und Traditionen? Bei den meisten Teilnehmern der Debatte war dabei
das Bemühen zu erkennen, eine Diskussion »Wir« gegen »Sie« zu vermeiden.
Die bürgerliche Regierung hoffte zunächst, den Sturm aussitzen zu können, bis man auf die
Verbotslinie einschwenkte. Als sich Integrationsministerin Birthe Rønn Hornbæck in einer langen
Zeitungskolumne für Richter mit Turban oder Richterinnen mit Kopftuch aussprach, wurde sie rasch
und in aller Öffentlichkeit von Premierminister Anders Fogh Rasmussen in die Schranken gewiesen:
Die Neutralität eines Richters dürfe nicht durch religiöse oder politische Symbole in Frage gestellt
werden. In Kürze wird deshalb im Parlament ein Gesetzentwurf eingebracht, der diese im
Gerichtssaal verbieten wird.
Meinungsumfragen zeigen übereinstimmend, dass sich eine Mehrheit der Bevölkerung diesem
Standpunkt anschließt. Ob auch andere Personen wie Polizeibeamte und Soldaten, die
Hoheitsaufgaben ausführen, davon betroffen sein werden, ist gegenwärtig noch unklar. Die
zuständigen Minister haben signalisiert, dass sie in internen Richtlinien ebenfalls Verbote
aussprechen wollen. Frankreich und die Türkei werden hier als Beispiel hervorgehoben, dass
staatliche Repräsentanten uniform zu sein und im Dienst nicht das Recht haben, persönliche
Überzeugungen zu demonstrieren. Der Gesetzesentwurf ist eine ernste Niederlage für die
Integrationsministerin, die erst seit November im Amt ist und schon um ihren Posten bangen muss.
Die ganze Debatte wurde von den Befürwortern des Verbotes bestimmt. Die Sozialdemokraten
versuchten sich mit einer Sowohl-als-auch-Linie, die einerseits die Position der Dänischen
Volkspartei kopiert, andererseits aber zu weit gehende Eingriffe vermeiden will. Das
Kommunikationsfiasko hätte die Parteiführung eigentlich voraussehen können, denn die
Ausländerpolitik ist schon lange die Achillesferse der Partei. Nur wenige Vertreter der
Volkssozialisten und der Rot-Grünen Einheitsliste beteiligten sich an der Debatte für das Recht
muslimischer Frauen, mit Kopftuch zu gehen, falls es selbst gewählt ist. Wie und wer beurteilen
kann, ob ein religiöses Symbol selbst gewählt oder aufgezwungen ist, ließ sich nicht erklären. Im
Falle der Einheitsliste ist die mangelnde Lust zur Diskussion auch eine Nachwirkung ihrer eigenen
Kopftuchdebatte, als die Aufstellung einer demonstrativ religiösen Parlamentskandidatin der Partei
fast die Repräsentanz im Folketing gekostet hätte und zur internen Zerreißprobe führte.
Im Berufsleben spielt die Diskussion »Kopftuch oder nicht« ansonsten keine Rolle. In Branchen mit
vielen muslimischen Beschäftigten, etwa Supermärkte oder im Servicebereich, haben die meisten
Unternehmen eine pragmatische Lösung gefunden, die Firmenuniformen, Hygieneforderungen und
religiöse Kopfbedeckungen unter einen Hut bringt.
* Aus: Neues Deutschland, 20. Mai 2008
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