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Kalter Wechsel auf der Eisinsel

Opposition gewann die Abstimmung über das neue Parlament Grönlands

Von Andreas Knudsen, Kopenhagen *

Bei der Parlamentswahl in Grönland musste die sozialistische Partei Inuit Ataqatigiit (IA) unter Führung von Kuupik Kleist nach vier Jahren Regierungsverantwortung eine klare Wahlniederlage gegen die sozialdemokratische Siumut-Partei hinnehmen.

Siumut-Parteivorsitzende Aleqa Hammond wird die erste weibliche Regierungschefin der Eisinsel werden. Untypisch für Grönland wurde es eine Art Präsidentenwahl, bei der Hammond mit ihrer ihrer Art, geradeheraus zu diskutieren, Vorteile hatte gegenüber dem mehr staatsmännischen Kleist. Der Wechsel von sozialistisch zu sozialdemokratisch geführter Regierung mag undramatisch klingen, doch es gibt bedeutende Unterschiede in der Wählerschaft und der Programmatik. Siumut hat ihre Anhänger in den Kleinstädten und Fischersiedlungen und setzte in ihrer Wahlstrategie ganz gezielt auf deren Probleme. Die IA-Koalition sah sich beispielsweise gezwungen, die Mieten kräftig heraufzusetzen. Das tat weh in der Parteiseele, aber besonders im Geldbeutel der Betroffenen. Doch Kleist und seine Minister vermochten nicht zu erklären, dass dies jahrelangen künstlich niedrigen Mieten zuzuschreiben war, für die Siumuts Regierungsjahre verantwortlich zeichnen, und letztlich kein finanzieller Spielraum für die Instandhaltung blieb. Damit waren sie verwundbar für populistische Forderungen nach Sozialverträglichkeit. Für die Wähler »auf dem Lande« war es auch wesentlich interessanter zu hören, wie die Parteien die wichtige Frage der Fischereiquoten beantworten. Dies ist weiterhin ihr wichtigster Erwerbszweig, während dies kaum eine Rolle spielte in Nuuk.

In der Landeshauptstadt gewann die urban und global orientierte IA die Mehrheit der Wähler. Diese denken an die Möglichkeiten, die die Bergwerksindustrie ihnen hoffentlich bieten wird, wenn die Rohstoffausbeutung beginnt. Es werden gegenwärtig verschiedene Besteuerungsmodelle diskutiert. Kleist konnte den Wählern nicht schlüssig genug erklären, dass seine Position langfristiger Investitionspolitik besser für Grönland ist als Siumuts Forderung nach Lizenzgebühren vom ersten Tage an.

Erst im Januar entstand die Inuit-Partei als Absplitterung von IA. Ihre Hauptforderung ist, dass der Gebrauch von Grönländisch das öffentliche Leben bestimmen soll. Dies stieß auf offene Ohren außerhalb der Hauptstadt und sicherte der Partei zwei Sitze. Hier meint man, dass IAs Politik, im Zusammenspiel mit Dänemark internationale Konzerne einzuladen, gleichzusetzen ist mit dem Ausverkauf der Interessen der Inuit, der ursprünglichen Bewohner Grönlands. Wie ohne neue Erwerbszweige neue Arbeitsplätze geschaffen werden können, war kein Thema ihres Wahlkampfes.

Die Siumut-Koalition wird sich mit den gleichen Herausforderungen auseinandersetzen müssen wie zuvor IA. Die Fischereiindustrie befindet sich in der Krise, rund 2000 Grönländer bei einer Bevölkerung von 56 000 sind arbeitslos und die Altersstruktur legt dem Sozialstaat zusätzliche Bürden auf.

* Aus: neues deutschland, Donnerstag 14. März 2013


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