Gute Ausländer bringen Geld
Dänemarks Regierung berechnet Kosten der Einwanderung – auf Rat von Rechtspopulisten
Von André Anwar, Stockholm *
Die guten Ausländer bringen Geld, die schlechten kosten. Das hat die dänische Regierung
ausrechnen lassen, um ihre harte Ausländerpolitik zu rechtfertigen. Doch ihre Zeit scheint trotz der
populistischen Aktion abzulaufen: Wenige Monate vor den Wahlen fällt sie in Umfragen zurück.
Sören Pind ist stolz. Nun hat es der dänische Minister für Ausländerfragen – offiziell:
Integrationsminister – schwarz auf weiß. Die harte Ausländerpolitik, die die rechtsliberalkonservative
Regierung seit einem Jahrzehnt fährt, zahlt sich aus. Eine Studie einer
interministeriellen Arbeitsgruppe hat ergeben, dass der Staat mit dieser Politik Jahr für Jahr 5,1
Milliarden Kronen (680 Millionen Euro) spart. Das sind immerhin 0,29 Prozent des
Bruttoinlandsprodukts. »Jetzt sehen wir, dass es nicht gleichgültig ist, wen wir ins Land lassen«,
sagte der Rechtsliberale Pind der Zeitung »Jyllands-Posten«.
Möglich wurde diese Einsparung laut dem Bericht unter anderem, weil sich der Anteil der »guten«
Ausländer stark erhöht hat. Die guten Ausländer, das sind die Bürger der EU- und der EFTAStaaten,
also der Schweiz, Norwegens und Islands. Seit 2001, als die derzeitige Koalition erstmals
ins Amt gewählt wurde, hat sich ihre Zahl mehr als verdreifacht. Sie bringen Dänemark laut den
Angaben des Ausländerministeriums netto 2,2 Milliarden Kronen jährlich.
Die Zahl der Einwanderer aus Entwicklungsländern ist seit 2001 gefallen. Die Regierung hat das
erreicht, indem unter anderem der Familiennachzug stark erschwert worden ist. Selbst Heiraten
helfen nichts: Wenn Dänen außerhalb von EU und EFTA auf Freiersfüßen gehen – oder Däninnen
anderswo ihre Ehepartner suchen –, dann müssen beide Partner 24 Jahre alt sein, bevor sie
gemeinsam in Dänemark leben dürfen. Viele gemischte Paare ziehen es daher vor, im nahen
Ausland zu leben, etwa im schwedischen Malmö auf der anderen Seite des Öresunds.
Insgesamt ist die Zahl der nicht-westlichen Einwanderer gesunken. Und ein Großteil von ihnen ist
ins Arbeitsleben eingetreten, sie sind also nicht auf staatliche Hilfen angewiesen. Dennoch hat die
Arbeitsgruppe errechnet, dass Einwanderer aus Entwicklungsländern insgesamt noch immer 16
Milliarden Kronen mehr kosten, als sie dem Staat einbringen.
Minister Pind zieht daraus den Schluss, dass die Ausländerpolitik noch weiter verschärft werden
müsse. »Ich habe keine Skrupel, das Land noch stärker für diese Ausländer zu verschließen.«
Ähnlich klingt es bei der rechtspopulistischen Dänischen Volkspartei. »Jetzt haben wir es ganz
eindeutig: Es zahlt sich aus, streng zu sein.« Die Volkspartei toleriert die rechtsliberal-konservative
Regierung seit einem Jahrzehnt. Ein guter Teil der Verschärfungen in der Ausländerpolitik geht auf
ihren Druck zurück. Auch die jetzige Studie ist ein Ergebnis von Verhandlungen zwischen ihr und der
Regierung und hatte ein offensichtliches Ziel – Stimmungsmache gegen unliebsame Ausländer.
Parteichefin Pia Kjaersgaard geht noch weiter. Sie stellt nun sogar die Zugehörigkeit Dänemarks
zum Schengenraum der offenen Grenzen in Frage. Sie stützt sich dabei auf eine Meinungsumfrage
vom Januar, nach der 57 Prozent der Dänen die Wiedereinführung von Grenzkontrollen wünschten. Der rechtsliberale Finanzminister Carl Hjort Frederiksen versprach prompt, den Vorschlag der
Volkspartei zu prüfen.
Doch ob er dafür noch genug Zeit hat, ist offen. Denn im Herbst wird gewählt. Und diesmal hat das
Lager links der Mitte eine gute Chance zu gewinnen. Sozialdemokraten,
Sozialisten und
Linksliberale erreichen in einer neuen Umfrage 55,8 Prozent, während die Regierungskoalition
selbst mit der Volkspartei und einer rechten Abspaltung der Linksliberalen nur auf 44,2 Prozent
kommt. Damit könnte die Sozialdemokratin Helle Thorning-Schmidt in einem halben Jahr den
glücklos agierenden rechtsliberalen Regierungschef Lars Lökke Rasmussen ablösen. Dieser war
2009 ins Amt gekommen, als der durchsetzungsstarke Anders Fogh Rasmussen NATOGeneralsekretär
wurde.
Nach zehn Jahren scharfer Ausländerpolitik ziehen die harschen Töne nicht mehr. Die global
agierende Wirtschaft mit Weltunternehmen wie Maersk, Novo Nordisk und Vestas braucht
Arbeitskräfte. Und viele Dänen haben sich inzwischen daran gewöhnt, dass jeder zehnte Einwohner
ein Ausländer ist. Die Zeichen stehen auf Wechsel.
* Aus: Neues Deutschland, 6. Mai 2011
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