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Trotzdem kompromißlos

Costa Rica: Linke Frente Amplio bleibt bei Wahlen hinter Erwartungen zurück

Von Lena Kreymann *

Nach der Präsidentschaftswahl in Costa Rica hat das Oberste Wahlgericht eine erneute Stimmauszählung wegen des knappen Ausgangs angeordnet. Den jüngsten Angaben zufolge erreichte der Historiker Luis Guillermo Solís von der Mitte-Links-Partei der Bürgeraktion (PAC) in der ersten Runde 31 Prozent der Stimmen. Er liegt damit vor dem Kandidaten der regierenden neoliberalen Nationalen Befreiungspartei (PLN), Johnny Araya. Der ehemalige Bürgermeister der Hauptstadt San José kam auf 29,6 Prozent. Deutlich hinter den Prognosen blieb die linke Frente Amplio zurück, die nur auf 17,1 Prozent kam. Im ebenfalls am Sonntag gewählten Parlament werden diese drei Parteien die stärksten Fraktionen stellen, die PLN mit 29,6 Prozent, die PAC mit 23,8 Prozent und die Frente mit 13,1 Prozent.

Bei der zweiten Auszählung handelt es sich lediglich um eine gesetzliche Formalität, die Beobachter der Organisation Amerikanischer Staaten sprachen der Wahl ein »hohes Maß an Glaubwürdigkeit« zu. Am 6. April soll eine Stichwahl zwischen den beiden Kandidaten mit den meisten Stimmen stattfinden, die nach costaricanischem Wahlrecht erforderlich ist, wenn niemand im ersten Wahlgang mehr als 40 Prozent erreicht.

Sowohl die PAC als auch die PLN sind jetzt auf der Suche nach Unterstützern. Solís erklärte, er sei offen für alle, die sich eine andere Politik wünschten. Wie der lateinamerikanische Fernsehsender TeleSur berichtete, machte der Kandidat der Frente Amplio, José María Villalta, in einer Ansprache nach Bekanntgabe der Ergebnisse deutlich, daß seine Partei keine Bündnisse schließen werde. Ziel sei es, die Frente Amplio selbst weiter zu stärken. »In der zweiten Runde gibt es die Wahl zwischen der Rechten, die klaut, und der Rechten, die nicht klaut«, sagte er und spielte damit auf den Ruf der PAC als Antikorruptionspartei an. Ihr Kandidat Solís entstammt selbst der neoliberalen Partei, war jedoch 2005 ausgetreten.

Die Frente Amplio hatte sich im Wahlkampf vor allem die Bekämpfung der sozialen Ungleichheit auf die Fahnen geschrieben. Wie das nationale statistische Amt INEC ermittelte, stagnierte 2013 die Arbeitslosigkeit bei 10,4 Prozent und ist insbesondere unter Jugendlichen hoch. Im zweiten Drittel des vergangenen Jahres waren demnach 20,7 Prozent der costaricanischen Haushalte arm. Nach Angaben der Weltbank sei Costa Rica eines der drei lateinamerikanischen Länder, die es nicht geschafft haben, Ungleichheit oder Armut im vergangenen Jahrzehnt zu reduzieren, schrieb die Frente Amplio dazu in ihrem Wahlprogramm. Darin schlug sie vor, »eine fortschrittliche Regierung« mit starken Beteiligungsmöglichkeiten für die Bevölkerung zu schaffen, die individuelle Rechte beachte und »seine Kräfte für die kulturell und ökonomisch Schwächsten« einsetze. Die breite linke Bewegung war 2004 während der Proteste gegen das Freihandelsabkommen CAFTA zwischen den USA und Zentralamerika ins Leben gerufen worden und wird von zahlreichen sozialen Bewegungen unterstützt.

Unmittelbar vor der Wahl galt eine Stichwahl zwischen Araya und Villalta fast als sicher. Das unerwartet schlechte Ergebnis führt die Frente auf die Hetzkampagne gegen sie zurück, die andere Parteien sowie Großunternehmer gegen sie gestartet hatten. Villalta kritisierte bereits Mitte Januar öffentlich, daß die Organisation Alianza Costa Rica um den PLN-Expräsidenten Óscar Arias Sánchez versuchte, Angst vor einer möglichen linken Präsidentschaft zu schüren. Wie die costaricanische Onlinezeitung The Tico Times berichtete, versuchte auch der Kosmetikkonzern Avon seine Angestellten zu beeinflussen und von der Stimmabgabe für die Frente abzuhalten, was nach costaricanischem Recht verboten ist. Avon versandte an seine Angestellten Flugblätter mit der costaricanischen Fahne, die mit »Kein Kommunismus!« und »Unsere Familien und Arbeitsplätze sind in Gefahr« überschrieben waren und gegen die Frente hetzten. Laut der Nachrichtenagentur Prensa Latina wurde daraufhin gegen die Firma eine Boykottkampagne gestartet.

* Aus: junge Welt, Mittwoch, 5. Februar 2014


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