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"Die Linke hat ihr Ziel verfehlt, und die Rechte ist erstarkt"

Bei den Parlamentswahlen in Costa Rica haben die erzkonservativen Parteien abgesahnt. Ein Gespräch mit José Maria Villalta

Der Anwalt und Umweltaktivist José Maria Villalta (32) zieht als einziger Abgeordneter von Costa Ricas Linkspartei »Frente Amplio« (Breite Front) in das am 7. Februar gewählte Parlament ein. Die neoliberalen Parteien gewannen die Zweidrittelmehrheit in der 57 Abgeordnete zählenden Kammer.



In Costa Rica gab es bei der Abstimmung am 7. Februar einen deutlichen Rechtsrutsch. Die sogenannte moderate Linke verlor drastisch, aber auch Ihre Partei hat das Wahlziel nicht erreicht. Wie kam es dazu?

Das Wahlergebnis ist besorgniserregend. Die Linke hat ihr Ziel verfehlt, und die Rechte ist erstarkt. Das Schlimmste ist der Zuwachs für die ultrarechte »Libertäre Bewegung« des Populisten Otto Guevara. Die mehr als 20 Prozent Stimmen bekam sie, weil sie ihr wahres Gesicht und Programm verborgen hat.

Die Niederlage der Linken ist in erster Linie dem unfairen Wahlkampf geschuldet, in dem das Oberste Wahlgericht, die Medien, Finanzinstitute und Unternehmen die neoliberalen Parteien dreist unterstützt haben. Das Scheitern der Sozialdemokraten um Ottón Solis von der Partei der Bürger­aktion (PAC) ist aber zu einem guten Teil hausgemacht. Er hat fast jede politische Konfrontation mit seinen Kontrahenten vermieden und versucht, es allen recht zu machen. Damit wollte er konservative Wähler gewinnen. Aber wie immer, wenn sich Sozialdemokraten zu weit nach rechts bewegen, ging der Schuß nach hinten los: Solis hat seine linken Wähler vergrault und keinen rechten überzeugt.

Solis fiel von 39 auf 25 Prozent, und im Parlament schrumpft die PAC-Fraktion um ein Drittel. Warum konnte die »Frente Amplio« davon nicht profitieren?

Zunächst möchte ich auf unsere Erfolge verweisen. Erstmals traten wir bei diesen Wahlen als landesweite Kraft an, mit Kandidaten in allen Regionen. Das Ziel war, eine eigene Fraktion zu stellen. Statt dessen konnten wir nur den einen Sitz in San José verteidigen. Erstmals entsendet Frente Amplio aber auch Kommunalpolitiker. Die besten Ergebnisse erreichten wir dort, wo wir im Bündnis mit anderen Vertretern der sozialen Bewegung antraten. In San Ramón haben wir gemeinsam mit der PAC sogar erstmals eine Mehrheit.

Überall haben wir deutlich Stimmen dazugewonnen. In San José z. B. konnten wir das Ergebnis auf fünf Prozent verdoppeln – was aber leider nicht für einen zweiten Sitz im Nationalparlament reichte. Nur knapp gescheitert sind wir in der Karibikregion Limón, wo wir immerhin acht Prozent der Zweitstimmen gewinnen konnten. Meine Partei geht jedenfalls gestärkt aus den Wahlen hervor.

In San José erreichte die Sozialpartei PASE, die sich für die Rechte von Menschen mit Behinderungen einsetzt, mehr als 16 Prozent, sie wird vier Abgeordnete stellen. Wie erklären Sie sich das?

Manche sagen, unser Parlamentarier José Merino habe in den vergangenen vier Jahren die Kämpfe geführt und PASE ernte dafür die Lorbeeren. Da ist sicher etwas dran. Die Partei hat keine klare Linie: Auf der einen Seite fordert sie eine bessere Sozialpolitik und mehr Rechte für Menschen mit Behinderung. Andererseits ist sie erzkonservativ und stellt sich zum Beispiel gegen gleichgeschlechtliche Partnerschaften. Die Partei ignoriert den Klassenwiderspruch in der Gesellschaft und verspricht, den Kapitalismus mit höheren Sozialausgaben zu zähmen. Das hat sich offenbar für viele Wähler attraktiv angehört. Uns ist es hingegen nicht gelungen, unsere Gesellschaftsanalyse einer breiteren Wählerschaft zu erklären. Um das zu verbessern, wird Frente Amplio künftig mehr auf die politische Schulung ihrer Mitglieder und Unterstützer setzen.

Was können Sie als Einzelkämpfer im Parlament ausrichten?

Ich werde mit den fortschrittlichen Abgeordneten der PAC zusammenarbeiten. Die haben ein paar gute neue Parlamentarier. Ich sehe auch Ansätze bei einigen der PASE-Abgeordneten. In Costa Rica ist es aber auch keine Neuheit, daß linke Abgeordnete im Parlament auf sich alleine gestellt sind. Mein wichtigster Verbündeter ist die soziale Bewegung, ich werde mich weiterhin an der außerparlamentarischen Opposition beteiligen und sie im Parlament vertreten.

Interview: Torge Löding, San José

* Aus: junge Welt, 20. Februar 2010


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