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Küstenstreifen im Ausverkauf

Costa Rica: "Menschen des Meeres" wehren sich gegen Tourismusindustrie

Von Laura Zierke, San José *

In diesem Jahr will Costa Rica einmal mehr die Rekordmarke von zwei Millionen Touristen knacken. Tropische Strände und Naturparks des kleinen zentralamerikanischen Staats mit seinen etwa 4,5 Millionen Einwohnern werden verstärkt beworben, wobei sich die Angebote zuvorderst an gutbetuchte Interessenten auf der nördlichen Erdhalbkugel richten. Der Markt wird von touristischen Großunternehmen beherrscht, deren Pläne eng mit der Politik verknüpft sind – eine skandalträchtige Konstellation, wie sich zeigt.

So mußte Mitte dieser Woche das Ministerium für Umwelt, Energie und Telekommunikation eingestehen, der Abholzung von tropischem Trockenwald widerrechtlich zugestimmt zu haben. Etwa 800 Bäume auf sieben Hektar Boden wurden in Papagayo/Guanacaste gefällt, weil ebendort ein Luxuserholungszentrum entstehen soll. Zudem hatte Oscar Arias, der damalige rechtssozialdemokratische Präsident, per Dekret den Konzessionären des Papagayo-Projektes enorme Steuer­erleichterungen verschafft. Demzufolge werden die Grundstückssteuern nicht wie üblich nach dem Bodenwert berechnet, sondern pauschal.

Die vergleichsweise geringen 1,56 US-Dollar pro Quadratmeter kommen schließlich nicht mehr den Kommunen in Guanacaste zugute, sondern sie werden an das Nationale Institut für Tourismus gezahlt. Dadurch verlieren diese Gemeinden etwa 1,2 Millionen Dollar jährlich, rechnete José-Maria Villalta vor, Abgeordneter der Mitte-Links-Partei Frente Amplio. Die Regierung des Kantons Guanacaste fordert nun von Präsidentin Laura Chinchilla die Rücknahme des Dekretes ihres Offen Kriminelles tat sich im Januar, als der Vizebürgermeister von Nicoya im als »Goldstrand« gepriesenen Kanton Guanacastes einen Küstenstreifen für zwölf Millionen Dollar im Internet zum Verkauf inserierte – ein Gebiet, das als »öffentliches Gut« unveräußerlich ist. Dabei handelt es sich nicht um einen Einzelfall. Tourismusprojekte erhielten entgegen der Gesetzgebung häufig Konzessionen für diese der Allgemeinheit zugänglichen Küstenstreifen, derweil Fischer und andere Küsten- und Inselbewohner von ebendort vertrieben werden. Einerseits wird so der Zugang zum Meer durch Großprojekte erschwert. Andererseits kommt es zur Einschränkung des Lebensraums für die Bewohner. Abwässer werden ins Meer geleitet und Wälder zerstört, Kanäle und Straßen entstehen, die Ressource Wasser wird durch übermäßigen Verbrauch in den Luxushotels knapp.

Nunmehr haben die Küstenbewohner, die sich »Menschen des Meeres«, nennen, einen Gesetzentwurf im Parlament eingebracht, nach dem »gemeinschaftliche Küstenterritorien« geschaffen werden sollen. Darin geht es nicht um Grundbesitz, sondern um die Akzeptanz ihrer Kultur, des Fischerhandwerkes und eine ausgeglichene und nachhaltige Nutzung der vorhandenen natürlichen Ressourcen. Ziel der Initiative ist es auch, durch umfassende Mitspracherechte der Anwohner der Korruption und Willkür zu begegnen. Und damit dem Ausverkauf des Landes.

* Die Autorin arbeitet für das unabhängige Kommunikationszentrum Voces Nuestras in Costa Rica.

Aus: junge Welt, 5. März 2011



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