Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Campesinas aktiv

Forderungen nach Zugang zu Land und Krediten am Internationalen Tag der Landfrau in Costa Rica

Von Torge Löding (Voces Nuestras), San José *

Bunte Marktstände auf dem Plaza de las Garantias Sociales im Herzen von Costa Ricas Hauptstadt San José. Mehr als 30 Frauengruppen aus dem ganzen Land präsentierten am Dienstag ihre Produkte, Ideen und politische Forderungen. Neben den überdachten Marktständen hatten sie ein Versammlungszelt aufgebaut, in dem Theatergruppen auftraten und Aktivistinnen von ihren Kämpfen berichteten. »Der alternative Markt ist unser Beitrag zu den Internationalen Tagen der Landfrauen, der Ernährung und der Armut im Oktober. Denn diese drei Themen bringen unsere Probleme auf den Punkt«, sagt Bella Amador, Vorsitzende der nationalen Koordinierungsstelle der Landfrauen (Coordinadora de la Mujer Campesina, CMC) in Costa Rica. CMC organisierte den Markt unter dem Motto »Für das Recht der Landfrauen selbst zu produzieren und zu handeln«. Lautstark protestierten die Frauen auch gegen das CAFTA-Freihandelsabkommen (spanisch TLC) mit den USA. Costa Rica ist das einzige Land Mittelamerikas, welches das Abkommen noch nicht ratifiziert hat; so stark ist die Bewegung dagegen hierzulande.

In Lateinamerika arbeiten nach UNO-Angaben rund 60 Millionen Landfrauen täglich mehr als 12 Stunden am Tag, um ihre Familien zu ernähren. Fast die Hälfte des Familieneinkommens erwirtschaften die Frauen auf diese Weise, aber Grundrechte und Teilhabe an dem Geld werden ihnen vorenthalten. »Costa Rica hat den Ruf, daß die Dinge hierzulande besser stehen. Aber leider ist das bis heute nur eine schöne Idee«, sagt Vilma Herrera von CMC. Die Frauen beklagen, daß sie kaum eigenes Land besitzen und ihre Entscheidungen stets dem Gutdünken ihrer Männer oder Väter unterwerfen müssen. »Ohne eigenes Land bekommen wir auch keine Kredite, die für den Aufbau eines Kleinhandels nötig wären«, sagt Herrera.

In Costa Rica ist die Hälfte des fruchtbaren Landes nicht landwirtschaftlich nutzbar, weil sich hier Regenwald und Naturschutzgebiete befinden. Ein weiteres Viertel gehört den internationalen Fruchtkonzernen – wie Dole und Chiquita – und den großen Fincas, die direkt im Auftrag dieser Konzerne arbeiten. Das letzte Viertel gehört Kooperativen oder Kleinbauern; Frauen können trotzdem kaum über mehr fruchtbaren Boden entscheiden, als den unter den Fingernägeln. Ein Grund dafür sei die Art und Weise der Landvergabe durch das zuständige Institut IDA. »Die Regierung ist verantwortlich für Geschlechterdiskriminierung. Die Entscheidung, wer welchen Landtitel erhält, fällt IDA auf Grundlage eines Punktesystems. Und dabei wiegt eine Frau nur halb so viel wie ein Mann«, erklärt Cynthia Reina Carr aus der Karibikprovinz Limón. Eine alleinstehende Frau hat demnach überhaupt keine Chance, eine Parzelle abzubekommen, ein nicht verheirateter Mann schon.

Die Karibik-Region gehört zu den ärmsten des Landes, Carr beklagt die fehlenden Investitionen in die Infrastruktur: »Es wird nichts getan, denn wo die Landflucht einsetzt, da kommen die multinationalen Bananen- und Ananaskonzerne und kaufen das Terrain. Die Regierung steht für diesen Ausverkauf unseres Landes und der damit verbundenen Umweltzerstörung«.

Trotz dieser Umstände schaffen es viele Frauen trotzdem zu produzieren. Auf dem bunten Markt in San José präsentierten sie eine Produktpalette von Bioobst und -gemüse über Süßigkeiten bis hin zu Kunsthandwerk. »Uns Landfrauen fehlt aber der Zugang zum Markt. Von der Regierung gefördert werden nur Exportprodukte wie zum Beispiel Zierpflanzen oder Ananas. Die Ernährungssicherheit unserer Familien wird darüber vergessen«, beklagt Orfa Dalila von CMC. Noch schlimmer werde alles, sollte das CAFTA-Freihandelsabkommen mit den USA ratifiziert werden. »Dann haben Kleinbauern überhaupt keine Chance mehr gegen die Konkurrenz der Agrokonzerne aus dem Norden«, sagt sie. An den nationalen Streiktagen am kommenden Montag und Dienstag gegen CAFTA werden sich die Frauen deshalb beteiligen.

Mit ihrer Aktion in San José hoffen die Landfrauen, ihre Forderung nach Zugang zu Land und Krediten auf die politische Tagesordnung zu hieven. Nicht nur in Costa Rica, denn die Mujeres Campesinas haben sich in ganz Lateinamerika vernetzt.

* Aus: junge Welt, 20. Oktober 2006


Zurück zur Costa Rica-Seite

Zurück zur Homepage