Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Vorstand weggeputscht

Costa Rica: Mit Polizeigewalt gegen Hafenarbeitergewerkschaft in der Karibikprovinz Limón

Von Torge Löding (Voces Nuestras), San José *

Nach dem Rechtsruck bei den Wahlen am 7. Februar geht die noch amtierende Regierung in die Offensive gegen die soziale Bewegung: Mit politischer und polizeilicher Gewalt versucht sie, sich des politisch unliebsamen Vorstandes der Hafenarbeitergewerkschaft ­SINTRAJAP in der Karibikprovinz Limón zu entledigen. Letzterer steht an der Spitze des Widerstandes gegen den Verkauf des staatlichen Hafenbetriebs. »Nachdem es der Regierung Oscar Arias weder durch Bestechung noch Bedrohung gelungen ist, die Arbeiter zur Aufgabe des Widerstandes gegen die Privatisierung zu bewegen, bricht sie nun Gesetze«, erklärte SINTRAJAP-Sprecher Liroy Peréz.

Peréz und seine elf Vorstandskollegen waren vor einem Jahr als Vertreter der sozialistischen Liste »Kämpfen wir!« für eine zweite zweijährige Amtszeit wiedergewählt worden. Ende des Jahres berief eine nur durch ihre Nähe zur Regierung legitimierte Gruppe unter Mißachtung aller Statuten eine »Gewerkschaftsversammlung« ein, an der die Minderheit der Privatisierungsbefürworter teilnahm und zwölf Männer aus ihrer Mitte als »neuen Vorstand« einsetzte. Das Arbeitsministerium erkannte diese Gruppe an, und Polizeikräfte versuchten den Gewerkschaftsputschisten am Montag bei der Vertreibung des legitimen Vorstands aus dem Gewerkschaftsgebäude zu helfen. Dieses Unterfangen blieb zunächst erfolglos.

Die meisten Medien des Landes beteiligen sich an der Hetzkampagne gegen den legitimen Vorstand. So schrieb die Tageszeitung La Nación in ihrer Dienstagausgabe, daß Liroy Peréz und neun weitere »ehemalige« Vorstandsmitglieder (davon die meisten namentlich genannt) sich unentschuldigt von ihrem Arbeitsplatz enfernt hätten. »Machen sie das dreimal, werden sie gekündigt«, hieß es in der Tageszeitung weiter.

Der legitime Vorstand rief für den gestrigen Freitag unterdessen eine Vollversammlung der etwa 1300 Beschäftigten der öffentlichen Hafengesellschaft JAPDEVA ein. Thema soll erneut der Regierungsplan zur Privatisierung sein. Die Gewerkschaft organisiert fast 90 Prozent der Beschäftigten, und auf zwei Vollversammlungen lehnten diese das Vorhaben einmütig ab.

Nach seinem Amtsantritt im Mai 2006 hatte Oscar Arias auf einer Europareise erklärt, den wichtigen Karibikhafen privatisieren zu wollen. ­SINTRAJAP lehnt dies ab, denn sie sieht darin nicht nur eine Gefahr für die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten, sondern auch für ein einzigartiges Sozialprojekt: Die öffentliche Hafengesellschaft JAPDEVA ist verpflichtet, einen Großteil der Gewinne in den Bau von Schulen, Brücken, Straßen und Gesundheitszentren zu investieren. Außerdem vergibt sie Kredite an Kleinbauern und an Schüler aus armen Familien. Internationalen Investoren, die begierig auf das Filetstück in der Karibikprovinz schauen, ist diese Sozialverpflichtung freilich ein Dorn im Auge.

Der Weltgewerkschaftsbund (WGB) forderte Costa Ricas Regierung in einer Erklärung unterdessen auf, die Intervention gegen die Unabhängigkeit der Gewerkschaft zurückzunehmen.

* Der Autor arbeitet für das unabhängige Kommunikationszentrum Voces Nuestras in Costa Rica

Aus: junge Welt, 27. Februar 2010



Zurück zur Costa Rica-Seite

Zur Gewerkschafts-Seite

Zurück zur Homepage