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"Bärendienst für CAFTA"

Costa Rica: Angstkampagne und Erpressung für Freihandelsabkommen

Von Torge Löding, San José (Voces Nuestras) *

Am Donnerstag nachmittag schlugen die Wellen hoch in der Asamblea Legislativa, dem Nationalparlament im mittelamerikanischen Costa Rica. Vizepräsident Kevin Casas und der Abgeordnete Fernando Sánchez, beide von der rechts-sozialdemokratischen Regierungspartei PLN, wurden öffentlich mit dem Inhalt einer E-Mail konfrontiert. Darin unterbreiteten sie Präsident Oscar Arias Vorschläge, welche Richtung die Kampagne der CAFTA-Befürworter in den letzten vier Wochen vor dem Referendum einschlagen solle. Am 7. Oktober entscheiden die Wahlberechtigten, ob das CAFTA-Freihandelsabkommen (spanisch TLC) zwischen den USA, Mittelamerika und der Dominikanischen Republik ratifiziert wird. CAFTA sieht unter anderem die Privatisierung von öffentlichen Betrieben vor; die Kritiker lehnen es ab, weil sie darin die Umsetzung der neoliberalen Agenda der US-Regierung sehen.

Obwohl die Befürworter den Staatsapparat für ihre Kampagne zur Verfügung haben und auf die Unterstützung fast aller Massenmedien zählen können, beginnen sie sich offenbar Sorgen zu machen. Kaum eine andere Erklärung gibt es für die Vorschläge der Vertrauten des Staatschefs, nun in bester antikommunistischer Manier eine Angstkampagne zu starten. In der E-Mail an den Präsidenten schlagen sie vor, massiv Angst zu schüren vor dem Verlust des Arbeitsplatzes. Damit die Menschen im Oktober CAFTA zustimmen, müsse erklärt werden, daß die Demokratie auf dem Spiel stehe, weil hinter den CAFTA-Kritikern angeblich Fidel Castro (Kuba), Daniel Ortega (Nicaragua) und Hugo Chávez (Venezuela) stünden. »Ohne Scham müssen wir die Medien mit unserer Werbung sättigen«, zitiert die Tageszeitung La Nación die E-Mail weiter. »In jedem Kanton müssen wir die Bürgermeister für den Erfolg der Kampagne verantwortlich machen und in aller Härte und Einfachheit klarstellen, daß jeder, der es nicht schafft, seinen Kanton für uns zu gewinnen, in den kommenden drei Jahren von der Zentralregierung nicht einen Cent bekommt«.

Zudem schlagen die beiden Strategen vor, daß Regierungsvertreter sich mit den Vorständen CAFTA-treuer Firmen darauf verständigen sollen, von den Unternehmen zu anderen Themen eingeladen zu werden, dann aber nur zu CAFTA zu sprechen. Auf diese Weise könnten die CAFTA-Befürworter jede Kontrolle durch das Oberste Wahlgericht (TSE) umgehen.

Die Veröffentlichung der E-Mail hinterläßt tiefe Risse im Lager der CAFTA-Befürworter. Der Fraktionschef der Neoliberalen (ML), Luis Antonio Barrantes, zeigte sich empört: »Auf keinen Fall können wir eine solche Strategie unterstützen. Welch ein Bärendienst für uns CAFTA-Befürworter«. Die Forderung nach Rücktritt des Vizepräsidenten wurde laut.

Der Abgeordnete der Linkspartei Frente Amplio, José Merino, bezeichnete den Vorfall als »einen der schlimmsten Momente in der Geschichte von Costa Rica«. Den Plan der beiden rechten Sozialdemokraten nannte er »kriminell«. Die Fraktion der Mitte-Links-Partei PAC zog sich zur genaueren Analyse der Situation zurück, der PAC-Abgeordnete Alberto Salom sprach von einem »Tag der Trauer«.

* Aus: junge Welt, 10. September 2007


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