Gabriel auf Wirtschaftsreise in China
Peking und Berlin suchen engere Kooperation in innovativen Industrien / Sorge über neue chinesische Gesetze zur Kontrolle des Internets *
Gabriel unterschrieb in Peking ein Abkommen zur Kooperation in innovativen Industrien und bei der Digitalisierung von Produktionsketten. Die landesweite Festnahmewelle gegen Bürgerrechtler in China kam bisher nicht zur Sprache.
Update 11.40 Uhr: Arbeitsgruppe vereinbart
Gabriel und Miao Wei vereinbarten eine Arbeitsgruppe, die sich jährlich treffen und eventuelle Probleme mit Datensicherheit aufgreifen soll, wie Delegationskreise schilderten. Gabriel habe im Gespräch mit Industrieminister Miao seine Sorge über neue Sicherheitsgesetze vorgebracht, die auch eine schärfere Kontrolle des Internets vorsehen. Der Vizekanzler habe aber nur allgemeine Zusagen bekommen, dass die »große Verunsicherung« der deutschen Industrie nicht gerechtfertigt sei.
Die neuen Sicherheitsgesetze beunruhigen ausländische Unternehmen, die um Datensicherheit und Verlässlichkeit des Internets fürchten. Mehr als die Hälfte der deutschen Firmen in China beklagen heute schon die geringe Geschwindigkeit und die Zensur im chinesischen Internet.
Der chinesische Gesetzentwurf sieht eine schärfere Kontrolle des Datenverkehrs und sogar eine Abschaltung des Internets in »Notfällen« vor. Auch fürchten Unternehmen, vom Markt ausgeschlossen zu werden, wenn sie keine Schlupflöcher in Software einbauen und Programmcodes offenlegen. »Ausländische Unternehmen, die nicht die Hosen runterlassen, kommen nicht auf den Markt«, kommentierte ein Delegationsmitglied.
Gabriel auf Wirtschaftsreise in China
Peking. Trotz deutscher Sorgen über mangelnde Datensicherheit hat die Bundesrepublik mit China einen Kooperationsausbau bei der Vernetzung von Produktionsketten vereinbart. Am Dienstag unterschrieb Bundeswirtschaftsminister Gabriel eine entsprechende Vereinbarung zum Ausbau der Kooperation in innovativen Industrien und bei der Digitalisierung von Produktionsketten mit dem Minister für Industrie- und Informationstechnologie (MIIT), Miao Wei.
»Wir wollen die 2014 mit China beschlossene Innovationspartnerschaft mit Leben erfüllen«, sagte Gabriel. Auch Minister Miao Wei sprach von einer »neuen Phase der Kooperation«. Mit Blick auf die jüngsten Turbulenzen an den chinesischen Börsen, das langsamere Wachstum und die Umstrukturierung der Wirtschaft sagte Minister Miao, China müsse seine Probleme daheim lösen und die Kooperation mit dem Ausland ausbauen.
China sucht eine engere Zusammenarbeit mit Deutschland in der Entwicklung der »Industrie 4.0«, wie die Vernetzung von Fertigungsstraßen und die datengestützte Ökonomie genannt werden. Allerdings gibt es unter ausländischen Unternehmen auch Bedenken, was die Datensicherheit, Verlässlichkeit und Geschwindigkeit des Internets in China angeht.
Besonders das gerade verabschiedete Gesetz für nationale Sicherheit und das in diesem Jahr geplante Gesetz für Internetsicherheit betrachten Diplomaten und Wirtschaftsvertreter mit Sorgen. Es verschärft die Kontrolle über den Datenverkehr und sieht sogar eine Abschaltung des Internets in »Notfällen« vor. Auch fürchten Unternehmen vor dem Hintergrund der Kontroverse um ausländische Bankentechnologie, dass sie Schlupflöcher in Software einbauen müssen oder vom Markt ausgeschlossen werden.
Auf dem Programm von Gabriel in Peking standen auch Gespräche mit Handelsminister Gao Hucheng sowie mit dem Vorsitzenden der mächtigen Entwicklungs- und Reformkommission (NDRC), Xu Shaoshi. Dabei sollte es um besseren Marktzugang für deutsche Unternehmen und den Schutz von Investitionen gehen. China ist der wichtigste Handelspartner Deutschlands außerhalb der Europäischen Union.
Die deutschen Exporte nach China stiegen im vergangenen Jahr um 11,3 Prozent, während die Importe um 6,4 Prozent zulegten. Das Volumen entspricht knapp einem Drittel des gesamten Handels der EU-Mitgliedsstaaten mit China.
Bei seinem Besuch, der wegen der Griechenland-Krise um einen Tag vorverlegt und gekürzt wurde, wird Gabriel am Mittwoch auch von Staats- und Parteichef Xi Jinping empfangen. Nach einer landesweiten Festnahmewelle gegen Bürgerrechtsanwälte, Mitarbeiter von Kanzleien und Aktivisten seit dem Wochenende, appellierten Menschenrechtler an den Vizekanzler, auch die jüngste Verfolgung in China anzusprechen.
* Aus: neues deutschland (online), Dienstag, 14. Juli 2015
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