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China schießt Satelliten mit Rakete ab

USA sehen Herrschaft im All bedroht


China hat vor wenigen Tagen erfolgreich einen Test seiner ballistischen Mittelstreckenrakete durchgeführt - sie zerstörte planmäßig einen Wettersatelliten.

Wie der amerikanische Nachrichten-Kanal CNN unter Hinweis auf seine Quellen im nationalen UN-Sicherheitsrat mitteilte, wurde der Test am 11. Januar vorgenommen. Die Rakete schoss einen chinesischen Wettersatelliten ab, der sich im Orbit 864 Kilometer von der Erde entfernt befand. Es handelt sich dabei um den ersten erfolgreichen Test, nachdem die drei vorangegangenen misslungen waren.

Die USA richteten bereits einen offiziellen Protest im Zusammenhang mit dem vorgenommenen Test an China. Wie CNN meldete, gab es auch aus Kanada und Australien Beschwerden. In Übereinstimmung mit der neuen amerikanischen Weltraumstrategie, die Präsident George W. Bush im August vergangenen Jahres vorlegte, behalten sich die USA das Recht auf "Handlungsfreiheit im All" vor. Diese Strategie sieht auch vor, dass die USA dieses Recht verteidigen und dabei ihren Gegnern den Zugang ins All verweigern können, falls ihre nationalen Interessen bedroht werden.

Im Folgenden dokumentieren wir zwei Artikel der Russischen Nachrichtenagentur sowie einen Kommentar aus der Frankfurter Rundschau.


Machtspiele im All: Chinas Anti-Satelliten-Rakete basiert auf sowjetischen Entwicklungen

Der ehemalige Chef der Verwaltung für Internationale Zusammenarbeit im russischen Verteidigungsministerium, General Leonid Iwaschow, ist der Ansicht, dass China seine kürzlich getestete Anti-Satelliten-Rakete auf der Grundlage sowjetischer Entwicklungen gebaut hat.

China hatte am 11. Januar mit einer Mittelstreckenrakete seinen bereits überholten Wettersatelliten im All abgeschossen.

„Ich glaube, die Chinesen haben das sowjetische System IS-1 („Satelliten-Jäger“) als Grundlage genommen und nach einer Modernisierung getestet“, sagte Iwaschow in einem Interview mit RIA Novosti.

Seinen Worten nach besaßen Russland und die USA noch in den 70er Jahren Anti-Satelliten-Waffen.

„Dem russischen Anti-Satelliten-System IS-1 lag die Rakete R-36 zugrunde, die auch heute noch im Dienst der russischen Streitkräfte steht“, berichtete Iwaschow, der jetzt Vizepräsident der Akademie für geopolitische Wissenschaften ist.

„Auch die Amerikaner entwickelten diverse Typen von Anti-Satelliten-Waffen, darunter auch elektromagnetische Kanonen“, sagte Iwaschow.

Er glaube nicht daran, dass China Aggressionspläne schmiedet, sagte Iwaschow und verwies auf die Drohung von US-Präsident George W. Bush, nicht identifizierte Satelliten abzuschießen, und auf die von ihm angekündigte US-Alleinherrschaft im Weltall. „Das sind die Amerikaner, die das Wettrüsten im All provozieren. China ist gezwungen, darauf zu reagieren.“

Der Abschuss eines Satelliten bei einem Waffentest Chinas mit einer Rakete von der Erde habe weltweit Besorgnis ausgelöst, berichtete CNN. Die USA, Kanada und Australien richteten an Peking Protestnoten.

Im August 2006 hatte US-Präsident W. George Bush eine neue Weltraumdoktrin gebilligt, wonach sich die USA die volle Handlungsfreiheit im All vorbehalten. Die Doktrin berechtigt die USA, bei Bedarf ihren Gegnern den Zugang zum Weltraum zu verwehren, wenn diese durch ihre Handlungen die amerikanischen Interessen gefährden.

Mit seinem Raketentest hat China nun unter Beweis gestellt, dass es US-Satelliten vom Boden aus zerstören kann. Gefährdet sind sowohl militärische als auch GPS-Satelliten, die Daten für so genannte „intelligente Bomben“ sowie für Truppen und Aufklärungsdienste liefern.

Das sowjetische Anti-Satelliten-System IS-1 hatte laut russischen Medienberichten 1979 bei den Truppen den Dienst angetreten. Später wurde es jedoch bis auf weiteres aus dem Dienst genommen.

* Aus: Russische Nachrichtenagentur RIA Novosti, 19. Januar 2011


Erfolgreicher Test chinesischer Abfangrakete - Zeugnis für entwickelte Technologien

Der erfolgreiche Test einer ballistischen Mittelstreckenrakete durch China zeuge davon, dass das Land entwickelte Technologien habe, betonten japanische Experten.

Am 11. Januar schoss die Rakete einen veralteten chinesischen Wettersatelliten ab.

„Sich dem Satelliten in einer Entfernung von 850 km von der Erde anzunähern und ihn zu treffen, setzt das Vorhandensein von hinreichend entwickelten Technologien voraus“, sagte Mamoru Endo, Spezialist für Raketenbau, in einem Interview mit japanischen Massenmedien. Er verwies darauf, dass Japan versucht hatte, ein Experiment bei der Trennung von zwei Teilen eines auf eine Umlaufbahn gebrachten Satelliten und bei ihrer Zusammenführung anzustellen. Aber dies misslang.

Yasunori Matogawa, Experte des Forschungsinstituts bei der Agentur für Weltraumforschung, vergleicht das mit einem vereinfachten Raketenabwehrsystem.

„Es ist äußerst kompliziert, eine gestartete Rakete mit einer Rakete abzuschießen. Aber es ist technisch durchaus möglich, ein Weltraumobjekt zu treffen, das sich auf einer Umlaufbahn befindet“, sagte er.

Den chinesischen Militärs gelang es erst beim vierten Versuch, den Satelliten abzuschießen. Allerdings zeige die Erprobung nach Meinung von Militärexperten eine potentielle Gefahr für amerikanische Spionagesatelliten.

Die Satelliten, die nun von chinesischen Raketen erreicht werden können, sind für die USA äußerst wichtig. Dazu zählen militärische Nachrichtensatelliten und GPS-Satelliten, deren Angaben für die sogenannten intelligenten Bomben, die Truppen und die Aufklärung genutzt werden.

Am Freitag äußerte die japanische Regierung Beunruhigung über den von China vorgenommenen Abfangraketentest und forderte Erklärungen.

„Die fehlende Transparenz im chinesischen Militärprogramm löst Beunruhigung und Besorgnis in der fernöstlichen Region und bei vielen Ländern der Welt aus“, sagte Yasuhisa Shiozaki, Generalsekretär des Ministerkabinetts, auf einer Pressekonferenz in Tokio. Er sei überzeugt, dass der Test vom Standpunkt der Nutzung des Weltraums zu friedlichen Zwecken und vom Standpunkt der Sicherheit überhaupt äußerst gefährlich sei.

Wie der japanische Außenminister Taro Aso auf einer Sonderpressekonferenz sagte, teilte die chinesische Seite mit, dass sie die japanische Beunruhigung zur Kenntnis genommen und versichert habe, dass all ihre Handlungen in den Rahmen des Programms zur friedlichen Weltraumerschließung passen.

** Aus: Russische Nachrichtenagentur RIA Novosti, 19. Januar 2011


Unbehagen

Von Karl Grobe ***

Russland hält die Nachricht über Chinas neueste Weltraum-Tat für stark übertrieben. Den USA, Japan und einigen anderen Ländern reicht sie aus, um Protestgeräusche von sich zu geben. China hat einen Wettersatelliten im erdnahen Weltraum mittels einer Rakete zerstört - so stand es in einer US-Fachzeitschrift. Chinas Medien schweigen beredt. Sonderbar, sie überschlagen sich sonst geradezu bei einem Erfolg, der bisher nur den USA und weiland der Sowjetunion gelungen ist. Allein die haben bisher Raumflugkörper auf bekannten Umlaufbahnen erlegt; seit zwanzig Jahren tun sie es nicht mehr. Anfliegende Raketen auf unbekannter Bahn zu treffen, ist sehr viel schwieriger. Bisher gelingt das selbst den USA nicht wirklich. Dieses Unterfangen aber gehört, ob zum "Krieg der Sterne" oder zu einem anderen Raketenabwehrprogramm, durchaus in die Kategorie "Militarisierung des Weltraums". Die Fähigkeit, Satelliten (auch spionierende fremde) zu vernichten, ist im Vergleich dazu dritte Liga. Die Reaktion der USA und des japanischen Verbündeten hat dennoch einen Grund. Im vorigen August verkündete US-Präsident George W. Bush, Handlungsfreiheit im Weltraum sei wichtig für die Sicherheit. Wie Britannien zu Beginn der Neuzeit durch Seemacht die Erde beherrschen wollte, so streben die USA mit den Mitteln der Luftherrschaft und der All-Macht danach. Konkurrenz war und ist dabei nicht erwünscht. Das erklärt das Unbehagen. Karl Grobe

*** Aus: Frankfurter Rundschau, 20. Januar 2007


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