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Neue Eiszeit USA-China

Jede Menge Konflikte zwischen Washington und seinem Hauptkreditgeber Peking

Von Rainer Rupp *

Die Volksrepublik China hat laut der amtlichen chinesischen Nachrichtenagentur Xinhua vom Wochenende alle militärischen Kontakte zu den USA auf unbestimmte Zeit eingestellt, weil Washington eine große Menge hochmoderner Waffensysteme im Wert von über sechs Milliarden Dollar an das abtrünnige Taiwan liefern will. Noch am Freitag hatte Peking die USA aufgefordert, den Beschluß rückgängig zu machen, damit vermieden werde, »daß die Spannungen in einem Resultat gipfeln, das sich beide Seiten nicht wünschen«, so Chinas Vizeaußenminister He Yafei nach seinem Treffen mit dem US-Botschafter in Peking, Jon Huntsman. Trotz wiederholter Proteste Chinas würden die USA erneut eine falsche Entscheidung treffen, heißt es in einer Erklärung auf der Webseite des chinesischen Außenministeriums.

Unter US-Präsident Richard Nixon hatten die Vereinigten Staaten anerkannt, daß Taiwan Teil des chinesischen Territoriums ist, selbst wenn es ausschließlich dank US-amerikanischer politischer und militärischer Unterstützung seit 1949 seine Unabhängigkeit bewahren konnte. Unverständlich ist, daß Washington Peking ausgerechnet jetzt verärgert - zu einem Zeitpunkt, wo die USA bei einer Reihe von politischen und ökonomischen Problemen dringend auf die Unterstützung durch die Chinesen angewiesen ist. Allerdings hatte sich bereits zum Jahresbeginn eine Verschlechterung der amerikanisch-chinesischen Beziehungen auf breiter Front angekündigt. Gründe dafür sind neben der angekündigten Waffenlieferung an Taiwan auch der Wunsch von Präsident Barack Obama, den Dalai-Lama zu empfangen, die Rückendeckung von US-Außenministerin Hillary Clinton für den Internetkonzern »Google« in dessen Streit mit China und die Auseinandersetzungen um das iranische Atomprogramm.

Offensichtlich glaubt sich Washington immer noch in der Lage, vom hohen Roß aus seinem Hauptkreditgeber China Bedingungen stellen zu können. Daß diese Zeiten längst vorbei sind, wurde letzten Monat deutlich, als die Regierung in Peking angesichts der Überhitzung der nationalen Wirtschaft auf die Konjunkturbremse trat und dies mit sofortiger Wirkung die Stimmung an den US-Börsen nachhaltig verdorben hat. Allerdings dürfte es dem bereits angeschlagenen Obama aus innenpolitischen Gründen derzeit unmöglich sein, ein zweites Mal auf ein Treffen mit dem Oberhaupt des tibetischen Buddhismus zu verzichten, wenn er eine Hetzkampagne gegen sich vermeiden will. In einer ähnlichen Situation hatte der Empfang des Dalai Lama durch Nicolas Sarkozy für ein halbes Jahr zum Einfrieren der Beziehungen zu China geführt, was in Frankreich niemandem gefallen hat.

Bezüglich Clintons »Google«-Positionierung hat das US-Außenministerium inzwischen seinen Ton stark gemildert. Anscheinend hat es eingesehen, daß sich die Außenministerin von dem Internet-Giganten hat manipulieren lassen. Ihr Fehler war es, sich in eine kommerziell-juristische Auseinandersetzung zwischen »Google« und der Regierung in Peking einzumischen und den Klagen des US-Konzerns einen hohen moralischen Menschenrechtsanstrich zu verleihen, obwohl es sich tatsächlich um Konkurrenzprobleme auf den regionalen Märkten handelte.

Dagegen hat Clinton im Zusammenhang mit dem Aufbau einer militärischen Drohkulisse gegen Iran am vergangenen Freitag ihre Polemik gegen China weiter verschärft, weil Peking immer noch nicht den US-Sanktionen zugestimmt hat. Statt dessen hat die Volksrepublik als erste Reaktion auf die US-Waffenlieferungen an Taiwan seinerseits Sanktionen gegen alle amerikanischen Unternehmen angekündigt, die direkt oder indirekt an diesem Waffendeal beteiligt sind.

* Aus: junge Welt, 2. Februar 2010


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