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Zurück mit leeren Händen

Bilanz des China-Besuchs: US-Präsident Obama versuchte vergeblich, die Führung in Peking für die Durchsetzung amerikanischer Ziele zu instrumentalisieren

Von Rainer Rupp *

Die amerikanisch-chinesischen Beziehungen seien »noch nie so wichtig für unsere gemeinsame Zukunft« gewesen, predigte US-Präsident Barak Obama in dieser Woche während seines Besuchs in Peking. Nachdem er bei der gemeinsamen Pressekonferenz mit seinem chinesischen Amtskollegen Präsident Hu Jintao in höchsten Tönen die Wirtschaftserfolge der Volksrepublik gelobt hatte, brachte Obama behutsam die amerikanische Forderung nach einer Aufwertung der chinesischen Währung vor, denn offensichtlich will Washington den Bankier Amerikas nicht verprellen. Fingerspitzengefühl zeigte der US-Präsident folglich auch, als er die für westliche Besucher obligatorische Tibet-Frage anschnitt und sich für direkte Gespräche zwischen der Führung in Peking und dem Dalai Lama einsetzte. Zugleich unterstrich er aber mit klaren Worten, daß Tibet ein integraler Bestandteil der Volksrepublik ist, was von seinen Gastgebern in Peking mit besonderer Befriedigung aufgenommen wurde.

Eher gelangweilt als irritiert reagierte die chinesische Führung, als Obama vor 500 Studenten in Schanghai die Pressefreiheit anmahnte und selektiv auf der Einhaltung der bürgerlichen Menschenrechte pochte, während er die sozialen unerwähnt ließ. In einem Artikel in der New York Times, der vor dem Hintergrund von Obamas Asien-Reise in der vergangenen Woche erschienen war, hatte Kishore Mahbubani, Professor an der National University in Singapur, unter dem Titel »Wessen Ende der Geschichte?« darauf aufmerksam gemacht, daß die USA in bezug auf die Menschenrechte in ganz Asien längst den letzten Rest ihrer Glaubwürdigkeit verloren haben. Allerdings hätten die westlichen Eliten bisher immer noch nicht erkannt, »welchen Schock Guantánamo weltweit ausgelöst« habe.

Die von Francis Fukuyama aufgestellte These vom »Ende der Geschichte«, schrieb Kishore Mahbubani am vergangenen Donnerstag weiter, habe auf der Annahme gegründet, daß nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion der Westen für die ganze Welt »ein Leuchtturm für Demokratie und Menschenrechte« sein würde. Niemand hätte jedoch 1989 geahnt, daß innerhalb der nächsten 15 Jahre der bedeutendste »Leuchtturm« des Westens die Folter wieder einführen würde. Folglich reagiere man in Asien mit ungläubigem Unverständnis, wenn heute Intellektuelle und Regierungsvertreter aus dem Westen von anderen Ländern die Einhaltung der Menschenrechte einforderten »und dabei sich selbst und ihre eigenen Regierungen als nachahmenswerte Beispiele anpreisen«. Genau dies hatte auch Obama bei seinem China-Besuch in dieser Woche getan. Kein Wunder, daß einer seiner studentischen Zuhörer aus Schanghai kühl in die Kamera der ARD-Tagesschau sagte, man werde den US-Präsidenten nicht an seinen schönen Worten, sondern an seinen Taten messen.

Auch sonst werde in Asien in den letzten Jahren verstärkt »das Rad der Verwestlichung zurückgedreht«, betonte Professor Mahbubani, nicht zuletzt, weil der Westen mit seinem neoliberalen Marktradikalismus sich als zunehmend unfähig gezeigt habe, in den eigenen Ländern die drängenden gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Probleme zu lösen. Gerade weil sich Peking bei der Lenkung seiner Wirtschaft bisher allen marktradikalen Einflüsterungen widersetzt hat, ist China innerhalb von zwei Jahrzehnten neben den USA zur wirtschaftlichen Supermacht aufgestiegen, während die krisengeschüttelten Vereinigten Staaten von Amerika vor dem Scherbenhaufen seiner einstigen Größe stehen.

»Für die Lösung einer ganzen Reihe extrem schwieriger Probleme, einschließlich der Stabilisierung des globalen Finanzsystems« brauche Obama dringend Chinas Hilfe, urteilte die New York Times am Dienstag. Daher müsse er Peking »ermutigen, eine größere internationale Rolle zu spielen«. Zugleich aber müsse er »Chinas dunklere Instinkte, einschließlich die Mißhandlung seiner eigenen Bürger und die Unterstützung unappetitlicher Regime wie im Sudan beschneiden«, so das Blatt, das damit Zeugnis ablegt von unveränderter amerikanischer Hybris.

In der Tat hat Obama bei seinem Besuch viele Möglichkeiten zur Intensivierung der Zusammenarbeit angesprochen, von der Wirtschaft über Klimawandel bis hin zu verbesserten militärischen Beziehungen. Die im Vorfeld in US-Medien veröffentlichte sicherheitspolitische Wunschliste der Amerikaner war sehr lang. So soll China z.B. helfen, Nordkorea zum Verzicht auf seine Atomwaffen zu bewegen. Und in bezug auf Iran soll Obama die Chinesen auf den amerikanisch-israelischen Kurs verschärfter Sank­tion bringen. Im Sudan soll sich Peking endlich »verantwortlich« benehmen und seine Ölinteressen dort den amerikanischen Ölinteressen unterordnen. China soll Pakistan mehr Wirtschaftshilfe gewähren, damit die pakistanische Armee zur Unterstützung der US-Truppen in Afghanistan verstärkt die Taliban bekämpfen kann. Und so geht es weiter.

Obamas viel gepriesene Aufforderung an Peking, als führende Weltwirtschaftsmacht auch international »mehr Verantwortung« zu übernehmen, ist daher nicht Ausdruck einer amerikanischen Anerkennung Chinas als gleichberechtigter Partner, sondern reflektiert lediglich den Versuch, China zur Durchsetzung der Ziele Washingtons zu instrumentalisieren. Da wundert es nicht, daß Obamas aus dem Reich der Mitte wenig Konkretes mit nach Hause gebracht hat.

* Aus: junge Welt, 19. November 2009

Hintergrund: Yuan ersetzt Dollar

Von Rainer Rupp

Laut der Pekinger Nachrichtenagentur Xinhua wird der chinesische Yuan in Zukunft eine größere Rolle bei der Abwicklung des Handels in der China-ASEAN-Freihandelszone (CAFTA) spielen, die am 1. Januar 2010 in Kraft treten wird. Gemäß CAFTA, die unter allen Freihandelsabkommen der Welt über die größte Bevölkerung verfügt, werden auf 90 Prozent aller Produkte, die zwischen China und den ASEAN-Staaten gehandelt werden, keine Zölle mehr erhoben. Das wird nach Ansicht von Experten den Gebrauch der chinesischen Währung in der Region über Chinas Grenzen hinaus erheblich beschleunigen und den bisher gebrauchten US-Dollar zunehmend verdrängen. Diese Auffassung wird sowohl von Vertretern der ASEAN-Regierungen als auch von Bankmanagern aus der Region geteilt. Laut Alongkorn Ponlaboot, Thailands stellvertretendem Handelsminister, werde die Stabilität des Yuan und seine weitere Verbreitung dabei helfen, die Risiken zu vermeiden, die den ASEAN-Staaten derzeit durch den schwankenden Dollarkurs entstehen. Zugleich werde durch den Yuan als regionalem Zahlungsmittel die Ausweitung des Handels zwischen China und ASEAN beschleunigt.

Gemäß der chinesischen Zollstatistik belief sich der Warenaustausch zwischen China und den ASEAN-Staaten 2004 auf 105 Milliarden Dollar. Bis 2008 hatte sich der Austausch auf 231 Milliarden Dollar mehr als verdoppelt, wodurch China und ASEAN gegenseitig jeweils der viertgrößte Handelspartner sind. Bisher wurde der Yuan lediglich zur Abwicklung des grenznahen Warenaustauschs benutzt, der lediglich zehn Prozent des China-ASEAN-Handels ausmacht. Aber unter dem Eindruck des rapide verfallenden Dollar hat China bereits im April dieses Jahres ein Pilotprojekt ins Leben gerufen, wonach der grenzüberschreitende Warenaustausch der wirtschaftlichen Kraftzentren Schanghai, Guangzhou, Shenzhen, Zhuhai und Dongguan mit ASEAN in Yuan abgewickelt wurde. Das war ein voller Erfolg. Inzwischen hat China bereits bilaterale Abkommen mit den Zentralbanken von Laos und Vietnam abgeschlossen. Für die Händler in den kleineren ASEAN-Länder ist China ein gigantischer Markt, und von der Fakturierung des Warenaustauschs in Yuan erhoffen sie sich in Zukunft weniger riskante Geschäfte als mit dem Dollar.

Aus: junge Welt, 19. November 2009



Obama: Strategische Partnerschaft mit China

US-Präsident wertet Besuch positiv **

Die USA und die Volksrepublik China wollen nach den Worten von US-Präsident Barack Obama ihre »strategische Partnerschaft« vertiefen.

Trotz unverändert deutlicher Differenzen sprach Obama zum Abschluss seines dreitägigen China-Besuches am Mittwoch von »sehr produktiven Gesprächen« in Peking.

Während in der gemeinsamen Erklärung am Vortag nur von »positiven, konstruktiven und umfassenden Beziehungen« zwischen den USA und China die Rede war, sprach der US-Präsident am Mittwoch überraschend davon, dass sie versuchen wollten, »die strategische Partnerschaft und die Beziehungen zwischen den USA und China zu vertiefen«. Die Bezeichnung »strategische Partnerschaft« gilt Pekings Führern als Synonym für ein Verhältnis hoher Qualität.

Eine Annäherung in Wirtschafts- und Menschenrechtsfragen oder im Klimaschutz war nach den Gesprächen Obamas in China nicht erkennbar. Entschieden wies China auch die Forderung Obamas zurück, seine Währung aufzuwerten, um die Handelsungleichgewichte mit den USA zu beseitigen.

Chinas Staats- und KP-Chef Hu Jintao forderte den US-Präsidenten auf, Tibetern und Uiguren zu verbieten, die USA als Plattform für »antichinesische separatistische Aktivitäten« zu benutzen. Die Äußerungen waren ein Hinweis auf den Dalai Lama und die Führerin der Exiluiguren, Rebiya Kadeer, die von den USA aus aktiv ist. Vor seinem China-Besuch hatte Obama ein Treffen mit dem religiösen Oberhaupt der Tibeter verschoben, aber versichert, sich in Zukunft wieder mit ihm treffen zu wollen. Hu mahnte Obama, »angemessen« mit der Taiwanfrage umzugehen.

Der US-Präsident reiste am Mittwoch von Peking aus nach Südkorea weiter, wo er an diesem Donnerstag mit Präsident Lee Myung Bak über Nordkorea und dessen Atomprogramm reden wollte. Weitere Schwerpunkte auf der letzten Station von Obamas neuntägiger Asienreise sind die südkoreanisch-amerikanische Sicherheitsallianz und die geplante Ratifizierung eines bilateralen Freihandelsabkommens.

** Aus: Neues Deutschland, 19. November 2009


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