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Moskauer "China-Jahr"

Staatspräsident Hu Jintao besucht Rußland. Festigung der strategischen Partnerschaft und Ausbau der Wirtschaftsbeziehungen als Eckpunkte

Von Annick Schneider *

Ein dreitägiger Besuch von einiger Brisanz beginnt am heutigen Montag in Moskau. Erwartet wird Chinas Staatspräsident Hu Jintao, der bereits zum Auftakt zusammen mit seinem Amtkollegen Wladimir Putin ein politisches Papier vorstellen soll, das sich auch mit internationalen Fragen beschäftigt. Nach der aktuellen, mit den Stimmen Rußlands und Chinas gefaßten Entscheidung des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen zu Sanktionen gegen den Iran vom Samstag werden insbesondere die Passagen zu diesem Thema mit einiger Spannung erwartet. Bislang hatten beide Staaten versucht, Sanktionen zu vermeiden. Sie sollten, so insbesondere die Position der Volksrepublik China, nicht zum außenpolitischen Mittel werden.

Angestrebt wird indes weiterhin von beiden Seiten eine weltpolitisch stärkere Rolle der Shanghai Cooperation Organisation (SCO), einem sicherheits- und wirtschaftspolitischen Zusammenschluß von sechs Ländern (Rußland, China, Kasachstan, Kirgisistan, Tadschikistan und Usbekistan). Auf deren Gipfel wurde im Juni 2006 beschlossen, daß in diesem Jahr die sechs Mitgliedstaaten in Rußland ein großes gemeinsames Militärmanöver abhalten werden. Einen SCO-Beobachterstatus haben derzeit Mongolei, Pakistan, Iran und Indien.

Ein weiterer Zweck der Hu-Reise ist die Vertiefung von bilateralen Wirtschaftskooperationen. Ziel beider Länder ist die Erhöhung von gegenseitigen Investitionen, der Ausbau der Zusammenarbeit im Energiesektor, bei Infrastruktur und Forstwirtschaft sowie im High-Tech-Sektor. Im Jahr 2006 stieg das chinesisch-russische Handelsvolumen um 14,77 Prozent auf 33,4 Milliarden US-Dollar. Rußland liegt damit auf Rang acht der wichtigsten Handelspartner Chinas. Während Hu Jintaos Besuch in Rußland sollten Wirtschaftsabkommen in Höhe von mehr als 4,3 Milliarden Dollar unterzeichnet werden, darunter eines der beiden staatlichen Bahngesellschaften über den Transport von Rohöl.

Wichtiger Eckpunkt der strategischen Partnerschaft bleibt der Ausbau auf dem Gebiet des Energiesektors. In den kommenden fünf Jahren sollen gemeinsame Investitionen in Höhe von zehn Milliarden Dollar erfolgen. Jüngst erklärte der russische Botschafter in China, Sergej Razow, in einem Interview mit der chinesischen Nachrichtenagentur Xinhua (Neues China), daß Rußland beabsichtige, zukünftig jährlich 30 Milliarden Kubikmeter Erdgas nach China zu liefern. Bis 2011 seien die Fertigstellung einer Gaspipeline durch die nordwestchinesische Autonome Region Xinjiang sowie einer Pipeline via der russisch-chinesischen Grenze im Nordosten geplant. Die Entscheidung Rußlands, die durch Sibirien führende Ölpipeline mit Transportvolumen von 30 Millionen Tonnen Rohöl, die 2008 fertiggestellt werden soll, ausschließlich auf russischem Territorium zu errichten, hatte in der Vergangenheit für Unmut in Peking gesorgt: Mit ihr könnte Moskau China und Japan als Ölabnehmer gleichzeitig – und vor allem in Konkurrenz – bedienen.

Während seiner Reise wird Hu zudem an der Eröffnungsveranstaltung für das in diesem Jahr in Rußland stattfindende »China-Jahr« beiwohnen. Geplant sind über 200 Veranstaltungen, darunter eine große Ausstellung, ein Kulturfestival sowie ein Wirtschaftsforum plus Investorenkonferenz.

* Aus: junge Welt. 26. März 2007


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