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China und Russland festigen ihre "strategische Partnerschaft"

Beim Besuch des russischen Präsidenten in China ging es vor allem um Wirtschaft und Energie

Am 21./22. März 2006 besuchte der russische Präsident China. In Peking ( Beijing) fanden zahlreiche Begegnungen und Gespräche statt, die wohl in erster Linie der weiteren wirtschaftlichen und energiepolitischen Kooperation zwischen beiden Ländern gewidmet waren. Im Kasten unten haben wir ein paar offizielle Verlautbarungen von Radio China International dokumentiert. Darüber hinaus dokumentieren wir zwei Artikel, die den Hintergrund und die Ergebnisse des Staatsbesuchs ausleuchten.



Das neue Russland und das neue China lernen einander von neuem kennen

Offensichtlich gibt es ein gegenseitiges Interesse und Entgegenkommen in den Beziehungen der beiden Völker.

Von Dmitri Kossyrew*

Die Beziehungen zwischen Russland und China muss man "auf der Grundlage einer erneuerten Denkweise" gestalten. Das sagte der chinesische Botschafter in Moskau, Lu Guchang, in der kürzlichen Internet-Konferenz im Unternehmen RosBusinessConsulting. Thema war der bevorstehende Peking-Besuch des russischen Präsidenten, Wladimir Putin, der dort das Russland-Jahr in China eröffnen wird.

Die Worte des chinesischen Botschafters haben einen ziemlich bedeutsamen, unausgesprochenen Sinn, wie dies in den vorab vorbereiteten chinesischen Statements immer üblich ist. In diesem Fall kann man die Worte über eine "erneuerte Denkweise" als Andeutung auf die Notwendigkeit verstehen, dass eine immer größere Zahl von Russen und Chinesen einander von neuem kennen lernt. Genauer gesagt, auf die Notwendigkeit, ihre Vorstellung voneinander mit der Realität in Einklang zu bringen und, sollte es gelingen, das zu wiederholen, was in den 1950er Jahren gewesen war, da Hunderttausende und Millionen Bürger unserer Länder Umgang miteinander gehabt hatten. Und dabei im Auge zu haben, dass heute nicht die 50er Jahre des 20. Jahrhunderts sind und China und Russland in den vergangenen 50 Jahren ganz andere Staaten wurden.

Im Grunde ist das das Schlüsselthema des bevorstehenden China-Besuches Wladimir Putins. Seine Teilnahme an der Eröffnung des Russland-Jahres in China (danach wird das China-Jahr in Russland stattfinden) ist keine gewöhnliche Maßnahme, sondern eine massive Antwort auf das mögliche Hauptproblem unserer bilateralen Beziehungen. Die Spitzenvertreter der beiden Staaten haben vor ungefähr zwei bis drei Jahren begonnen, dieses Problem zu formulieren. Denn es war eine Diskrepanz zu beobachten zwischen dem erfolgreichen Umgang zwischen der Führung der beiden Länder und dem fehlenden Kontakt zwischen wichtigen Teilen der Zivilgesellschaft Russlands und Chinas. Einfacher gesagt, endeten gerade jetzt die 50er Jahre, eine Periode der "großen Freundschaft". Und sie endeten mit jenen Generationen, die einander so gut verstanden hatten.

Ein Beispiel aus dem Gebiet von Kultur und Kunst mag dies belegen. Zahlreichen Chinesen der älteren Generation gefallen die russischen Lieder der 50er Jahre, die in Russland selbst fast völlig vergessen wurden. Bis heute treten in China die Ballettgruppen, Sinfonieorchester und Schauspielensembles erfolgreich auf. Und zwar genau jene Kollektive, die dort in denselben goldenen Jahren der Freundschaft populär geworden sind. Nebenbei gesagt, besuchten im letzten Jahr 23 künstlerische Ensembles China, was nicht viel ist.

Dasselbe lässt sich auch über die Literatur sagen: Nach der russischen Klassik des 19. Jahrhunderts (Tolstoi und Dostojewski), nach der sowjetischen Klassik des 20. Jahrhunderts (Scholochow und Gorki) lösten schon wenigstens drei Epochen in der russischen Literatur einander ab. Heute streiten russische Bürger über moderne Schriftsteller und Dichter, deren Namen nur einige wenige in China kennen. All das bedeutet, dass das chinesische Publikum in seiner Kenntnis der russischen Kultur ein halbes Jahrhundert hinter der Realität steht, indem es lediglich die bewährte Klassik anerkennt. Das russische Publikum hingegen leidet an einem anderen Extrem: Heute ist in Russland ein Boom des Interesses für alles Asiatische zu beobachten, der mit der "Entdeckung Europas" in den 90er Jahren vergleichbar ist. Aber in der heutigen Mode der russischen Großstädte für alles Chinesische überwiegt die Oberflächlichkeit und es mangelt an der Einsicht in die chinesische Klassik und die Grundlagen der Existenz dieser alten Zivilisation.

Das russische Publikum schafft in seinem Denken eine Gestalt Chinas, die weit von der Realität entfernt ist. Und genauso sieht ein großer Teil des chinesischen Publikums nicht jenes Russland, wie es in Wirklichkeit ist.

Aber ganz offensichtlich sind das gegenseitige Interesse und Entgegenkommen der beiden Völker. Laut Statistiken, die der Botschafter Liu Guchang auf derselben Pressekonferenz anführte, begann zwischen Russland und China ein Tourismusboom. In vorigem Jahr besuchten mehr als eine Million chinesische Touristen Russland, und über zwei Millionen russische Touristen hielten sich in China auf.

Das Russland-Jahr in China, das Wladimir Putin eröffnen wird, ist durchaus nicht nur ein umfassendes Kulturprogramm. Besondere Aufmerksamkeit gilt zum Beispiel den Kontakten zwischen Unternehmern der beiden Länder. Boris Titow, Vorsitzender des russisch-chinesischen Wirtschaftsrates, nannte unter diesen Kontakten ein Forum der Geschäftskreise Russlands und Chinas, das während des offiziellen China-Besuches Wladimir Putins stattfinden wird; eine Ausstellung von Gemeinschaftsprojekten für wirtschaftliche Zusammenarbeit, die für diesen Besuch anberaumt ist; eine russisch-chinesische Investitionswoche und eine russische nationale Ausstellung in Schanghai im November. In diesem Bereich sind die Ereignisse wie auch in allen anderen für zwei Jahre hinaus bestimmt. Aber dabei ist der humanitäre Aspekt in den bevorstehenden zwei Jahren offensichtlich. China erhöhte zum Beispiel die Stipendien für russische Studenten, welche die chinesische Kultur und Sprache studieren. Ebensolche Schritte Moskaus wird anscheinend auch Wladimir Putin in Peking bekannt geben. In vorigem Jahr bekundeten etwa 4.000 chinesische Studenten den Wunsch, in Russland zu studieren. Ihre Gesamtzahl in unserem Land macht heute 15.000 aus. Viel aktiver wurde schließlich die Zusammenarbeit zwischen Journalisten. Zum Beispiel zwischen den Nachrichtenagenturen ITAR-TASS und Xinhua, der RIA Novosti und der Renmin Ribao, TV-Kanälen, dem Sender "Stimme Russlands" und dem Internationalen Radio Chinas, um nur einige zu nennen. Auf der 13. internationalen Buchmesse in Peking (Ende August-Anfang September), deren Ehrengast Russland sein wird, werden seine Bücher auf einer Rekordausstellungsfläche von 1000 Quadratmetern vorgestellt.

Insgesamt also legen die Spitzenvertreter der beiden Staaten die Entwicklung der Beziehungen zwischen ihnen den Millionen Bürgern Russlands und Chinas in die eigenen Hände. Lediglich künftige Generationen werden das Ergebnis dieses Vorhabens bewerten können.

* Aus: Russische Nachrichtenagentur Ria Nowosti, 21. März 2006; Internet: http://de.rian.ru


Profitable "Luftlandeoperation" Putins

Besuch in Peking stärkte die strategische Partnerschaft Russlands und Chinas

Von Irina Wolkowa, Moskau**


Der zweitägige Besuch des russischen Präsidenten Wladimir Putin in China ist ertragreich zu Ende gegangen. Vor allem ging es um Ökonomie und ganz besonders um Energie.

Mit einer Entourage von über 1.000 Mann, vor allem Unternehmern, fiel Russlands Präsident Wladimir Putin zum Besuch in Peking ein. Sogar die regierungsnahe »Iswestija« sprach von »Luftlandeoperation«. Offiziell ging es darum, das Jahr Russlands in China zu eröffnen, dem 2007 das Jahr Chinas in Russland folgt. In Wahrheit stand der weitere Ausbau der strategischen Partnerschaft im Mittelpunkt. Hielten beide Länder im letzten Sommer die bisher größten gemeinsamen Manöver der Geschichte ab, probten sie nun den wirtschaftlichen Schulterschluss.

Sogar in der gemeinsamen Erklärung – dem einzigen politischen Dokument, das Putin mit seinem chinesischen Amtskollegen Hu Jintao unterzeichnete – geht es fast ausschließlich um Ökonomie.

Vor allem um Kooperation im Energiebereich. Die, so heißt es dort wörtlich, sei für beide Seite eine der Hauptrichtungen der strategischen Partnerschaft und habe ein qualitativ neues Niveau erreicht. In der Tat: Peking, das Öl bisher vor allem aus den Golfstaaten importierte, plant eine Umorientierung in den nächsten 15 Jahren. Auf Importe aus Kasachstan und vor allem aus Russland, wo das Reich der Mitte auch seinen Bedarf an Erdgas und teilweise sogar an Strom decken will. Das bringt beiden Seiten Vorteile, Westeuropa dagegen mittelfristig eine Menge Probleme. Spätesten 2010 wird sich die Öl- und Gasförderung in Westsibirien rückläufig entwickeln.

Verluste, die Russland durch die Ausbeute der Vorkommen im Osten ausgleichen will. Der Export ist jedoch nur bei überschaubaren Entfernungen rentabel. Nach Japan oder nach China. Peking aber ist für Moskau allein schon wegen der Wachstumsraten der attraktivere Partner. Experten kalkulieren dessen Jahresverbrauch an Öl, der momentan bei zirka 300 Millionen Tonnen pro Jahr liegt, 2025 auf stolze 710 Millionen. Der Bedarf an Gas steigt jährlich um 20 Prozent. bei Strom um über zehn Prozent. Statt ursprünglich einer will Russland daher gleich zwei Gaspipelines mit einer Durchlassfähigkeit von insgesamt bis zu 80 Milliarden Kubikmeter jährlich bauen. Auch beim Kampf um das ostsibirische Öl lief Peking gestern dem Erzrivalen Japan der Rang ab. Wie Beobachter zu Recht vermuten, wegen Nippons Unnachgiebigkeit im Streit um vier Kurilen-Inseln.

Vorrangig um Politik geht es Putin auch bei der Diversifizierung der Gasexporte, von der in der politischen Deklaration die Rede ist. Bei gut der Hälfte der geplanten Lieferungen an China greift Russland nämlich auf Vorkommen zurück, mit denen momentan die Kunden in Westeuropa versorgt werden. Moskau, schreibt die »Iswestija«, gebe Europa damit zu verstehen, dass ohne Rücksicht auf langjährige Partnerschaft jetzt globaler Konkurrenzkampf angesagt sei. Zusagen, wonach das russische Gas für alle reicht, seien ein bloßer diplomatischer Kotau.

Die künftige Verteilung der knapper werdenden Ressourcen, gibt auch die »Wremja Nowostjej« zu bedenken, hänge von der Kompromissbereitschaft der potenziellen Kunden ab, nicht zuletzt von politischen Zugeständnissen.

** Aus: Neues Deutschland, 23. März 2006

Meldungen von Radio China International zum Putin-Besuch in Peking

China will die strategische Partnerschaft mit Russland weiter festigen und vertiefen (22. März 2006)

Der chinesische Ministerpräsident Wen Jiabao hat am Mittwoch (22. März) den russischen Präsidenten Vladimir Putin empfangen. Bei dieser Gelegenheit betonte Wen Jiabao, dass beide Länder die chinesisch-russischen Beziehungen auf eine herausragende Ebene ihrer Außenpolitik setzen sollten, um die strategische Partnerschaft zwischen beiden Ländern weiter zu festigen und vertiefen.

Weiter sagte Wen Jiabao, China und Russland sollten den bilateralen Handel weiter ausbauen, die Zusammenarbeit in Energiebereich verstärken und die gegenseitigen Investitionen fördern, um eine solide Grundlage für die künftige Entwicklung der bilateralen Beziehungen zwischen beiden Ländern zu schaffen.

Der russische Präsident traf anschließend mit dem Vorsitzenden des Ständigen Ausschusses des Chinesischen Nationalen Volkskongresses Wu Bangguo zusammen. Bei diesem Treffen klärte Putin, dass sein Besuch in China substanzielle Ergebnisse erzielt habe. Die bilaterale Zusammenarbeit beider Länder umfasse alle Bereiche mit gemeinsamen Interessen und weitreichenden Perspektiven. Gleichzeitig sagte Putin, sein Land freue sich über die schnelle Entwicklung der Wirtschafts- und Handelskontakte zwischen beiden Ländern. Russland hoffe, dass beide Seiten die Zusammenarbeit im Energiebereich, im Maschinenbau, Verkehr und Transport, Telekommunikation, Finanzen, Raumfahrt und Umweltschutz weiter verstärken könnten.

Am Dienstag (21. März) begann Putin seinen zweitägigen Staatsbesuch in China. Während seiner China-Reise unterzeichneten China und Russland 22 Dokumente über eine enge Zusammenarbeit in Sachen Außenpolitik Energie, Finanzen, Transport und Finanzierung der Bekämpfung des internationalen Terrorismus.

China und Russland vereinbaren Ausbau der Zusammenarbeit (21. März 2006)

Der chinesische Staatspräsident Hu Jintao hat am Dienstag (21. März) in Beijing ein Gespräch mit seinem russischen Amtskollegen Wladimir Putin geführt. Beide Seiten haben sich darauf geeinigt, die strategische Koordination und die pragmatische Zusammenarbeit zwischen beiden Ländern weiter zu verstärken und zu vertiefen. Beide wollen die strategischen und kooperativen Beziehungen auf ein höheres Niveau setzen.

Hu Jintao sagte, seit Aufnahme der strategischen Partnerschaft vor zehn Jahren hätten sich die Beziehungen zwischen beiden Ländern schnell entwickelt. China sei bereit, gemeinsam mit Russland die allseitige Zusammenarbeit weiter voranzutreiben. Dazu solle die Förderung des gegenseitigen politischen Vertrauens als langfristige Aufgabe betrachtet werden. Die Koordination der wirtschaftlichen Entwicklungsstrategie müsse als Richtung für eine Vertiefung der Zusammenarbeit weiter erhöht werden. Der gegenseitige Austausch und die Zusammenarbeit im humanitären Bereich müssen eine wichtige Grundlage für die Freundschaft zwischen China und Russland bilden.

Putin versprach China seine volle Unterstützung in der Taiwan-Frage. Russland hoffe auf eine Intensivierung der Zusammenarbeit in den Bereichen Verkehr und Bankwesen, auf einen Ausbau des Exports von mechanischen und elektrischen Produkten nach China und auf eine verstärkte Kooperation in den Bereichen Raumfahrt und mobile Kommunikation.

Am selben Tag haben China und Russland ein gemeinsames Kommuniqué abgegeben. Darin wiederholten beide Seiten, die Vermessung der restlichen Grenzsektoren bis zum Ende 2007 zu vollenden, das Pipelineprojekt für Erdöl- und Erdgasexport von Russland nach China weiter zu fördern und möglichst schnell ein Abkommen über den Schutz und die Nutzung der Grenzflüsse zu unterzeichnen. Ferner hob Russland hervor, gegen eine sogenannte Unabhängigkeit Taiwans in jeder Form, inklusive der De-jure-Unabhängigkeit, aufzutreten.

Darüber hinaus haben beide Länder 15 Kooperationsdokumente unterzeichnet.

Am Dienstagabend (21. März) erschienen Hu Jintao und Putin bei der Eröffnungszeremonie des "Russlandjahres". In ihren Reden erklärten sie die Veranstaltungen im Rahmen des "Russlandjahres" für offiziell eröffnet.

China und Russland wollen Handel mit mechanischen und elektrischen Produkten verstärken (22. März 2006)

China und Russland wollen den Anteil von mechanischen und elektrischen Produkten am bilateralen Handelsvolumen anheben, um die vom Energiehandel dominierte Handelsstruktur zu verbessern. Das erklärten ranghohe Außenhandelsvertreter Chinas und Russlands am Mittwoch auf dem bilateralen Forum über Wirtschaft, Industrie und Handel in Beijing. Der stellvertretende chinesische Handelsminister Ding Guangzhou betonte, dass die Handelskooperation beider Länder im Bereich der mechanischen und elektrischen Produkte über ein großes Potenzial verfüge.

Im vergangenen Jahr erreichte der Handel zwischen China und Russland mit 29,1 Milliarden US-Dollar ein neues Rekordvolumen. Daran hatten aber mechanische und elektrische Produkte lediglich einen Anteil von 2,2 Prozent.

Putin beendete seinen China-Besuch (23. März 2006)

Russlands Präsident Vladimir Putin hat am Mittwochabend (22. März) seinen China-Besuch beendet und ist von der Hauptstadt Zhengzhou der zentralchinesischen Provinz Henan aus nach Moskau zurückgeflogen.

Während seines Aufenthaltes in China wurden gemeinsam 29 Dokumente über die politische und wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen China und Russland unterzeichnet. Putin versicherte, dass diese Dokumente umfassend umgesetzt werden.

Vor seiner Rückkehr nach Moskau äußerte Putin am Dienstag in einem Interview mit der russischen Zeitung "Labour" seine Zufriedenheit mit dem Ergebnis seines Chinabesuchs. Ferner teilte Russlands Präsident mit, dass die Kooperationen zwischen Russland und China ein sehr hohes Niveau erreicht habe. Dies unterstütze die neuen Schritte beider Seiten bei der Erweiterung der bilateralen Zusammenarbeit.



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