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China ist nicht nur eine Drohung

Befreit die Zusammenarbeit mit China afrikanische Regierungen aus der Umarmung durch Weltbank und westliche Konzerne? Oder stärkt sie bloss korrupte Regimes?

Von Peter Bosshard *

Im Norden Sudans wird gegenwärtig am Nil der Merowe-Staudamm gebaut, eines der grössten Wasserkraftwerke in Afrika. Mehr als 50000 Personen werden deshalb aus dem fruchtbaren Niltal in die Nubische Wüste umgesiedelt. Eine unabhängige Umweltverträglichkeitsprüfung für das Bauvorhaben gibt es nicht. Wenn sich die Leute wehren, setzt die Projektbehörde massive Gewalt ein. Im April 2006 erschossen ihre Milizen 3 Menschen und verletzten 47.

Der Merowe-Staudamm wird von chinesischen, sudanesischen, deutschen und französischen Firmen gebaut. Die Schweizer ABB liefert Anlagen zur Stromübertragung. Als die Firma Alstom bei der Exportkreditagentur der französischen Regierung einen Kredit für das Projekt beantragte, lehnte ­diese aus ökologischen Gründen ab.

Keine solchen Skrupel kannte die chinesische Exportkreditagentur, die China Exim Bank. Mit einem Kredit von mehr als 300 Millionen Dollar ist sie die wichtigste Geldgeberin des Projekts. Chinesische Firmen haben auch Milliardenbeträge in die sudanesische Ölförderung investiert.

Der Sudan ist ein prominentes Beispiel für die wirtschaftliche Annäherung zwischen China und Afrika und für die Probleme, die sich dabei stellen. Afrika spielt eine wichtige Rolle als Lieferant für die Rohstoffe, die das chinesische Wirtschaftswachstum in Gang halten. Der afrikanisch-chinesische Handel verzehnfachte sich zwischen 1999 und 2006; er soll bis Ende des Jahrzehnts hundert Milliarden Dollar erreichen. Mit Investitionen und Krediten finanziert China zahlreiche Minen, Kraftwerke, Eisenbahnverbindungen und Textilfabriken in ganz Afrika.

Der Ausbau der wirtschaftlichen Beziehungen wird politisch abgestützt. Der chinesische Präsident Hu Jintao besuchte in den vergangenen zwölf Monaten mehr afrikanische Länder als alle anderen StaatschefInnen. Im November 2006 nahmen die Staats- oder RegierungschefInnen von nicht weniger als 48 afrikanischen Ländern an einem afrikanisch-chinesischen Gipfeltreffen in Beijing teil.

Neue Epoche

Läutet die chinesische Charme­offensive in Afrika eine neue Epoche der sogenannten Süd-Süd-Zusammenarbeit ein? Oder bildet sie bloss die jüngste Phase der afrikanischen Kolonisierung? Afrikanische Regierungen frohlocken über die Möglichkeit, dem Diktat westlicher Firmen und Finanzinstitutionen zu entkommen. «Wir schätzen chinesische Investitionen», sagt Sahr Johnny, der Botschafter von Sierra Leone in China (und ein bekannter Science-Fiction-Autor). «An einer Sitzung diskutieren wir, was die Firmen tun wollen, und dann machen sie vorwärts. Sie stellen keine Bedingungen und haben weder Richtlinien noch Umweltverträglichkeitsprüfungen.» Alfred Mutua, ein Sprecher der kenianischen Regierung, ergänzt: «Du hörst China nie sagen, dass sie ein Projekt nicht fertigstellen, weil die Regierung nicht genug für die Korruptionsbekämpfung getan hat.»

Westliche Regierungen, Finanzinstitute und Umweltorganisationen sind über das chinesisch-afrikanische Liebesfest weniger begeistert. Sie befürchten verstärkte Umweltzerstörungen, Rückendeckung für korrupte Regimes und einen neuen Verschuldungskreislauf. Dabei ist nicht immer klar, inwiefern die Kritik von echter Sorge, Eifersucht oder Opportunismus geprägt ist.

Philippe Maystadt, Präsident der Europäischen Entwicklungsbank, klagte im November 2006, chinesische Financiers hätten seiner Bank mehrere Projekte unter der Nase weggeschnappt, indem sie europäische Umweltstandards unterlaufen hätten. Westliche Regierungen müssten diskutieren, wieweit sie selbst noch «exzessive Bedingungen» stellen könnten, folgerte Maystadt. «China sollte nicht die gleichen Fehler wiederholen, die Frankreich und die USA in Mobutus Zaire gemacht haben», sagte um die gleiche Zeit Weltbankpräsident Paul Wolfowitz. «Seien wir ehrlich, das wäre schrecklich, ein echter Skandal», ergänzte der frühere Pentagon-Vize, der bisher nicht mit Ehrlichkeit in der Politik aufgefallen war.

Chinesische Malariamittel

Das Beispiel des Merowe-Staudamms und der diplomatische Schutz, den China dem sudanesischen Völkermordregime gewährt, zeigen, dass die neue chinesische Rolle in Afrika massive Probleme schafft. Dennoch besteht kein Grund für eine Schwarz-Weiss-Sicht. Es lohnt sich, die Rolle Chinas differenzierter zu betrachten.

Die Weltbank und die westlichen Exportkreditagenturen gaben sich in den vergangenen Jahren Umweltstandards, die sie in ihren Projekten teilweise auch anwenden. Aber die Bedingungen der westlichen Regierungen und Finanzinstitutionen sind nicht in erster Linie ökologischer Natur. Mit ihren Krediten und Handelsabkommen erzwangen sie seit den achtziger Jahren in Afrika umfassende Liberalisierungen und Privatisierungen, die oftmals scheiterten und zu einer weiteren Verarmung der betroffenen Bevölkerungen führten. Wirtschaftspolitisch ist es positiv, dass die chinesische Offensive die Verhandlungsposition afrikanischer Regierungen gegenüber dem Westen stärkt.

China wirft billige Waffen, Mammutkraftwerke und Ölpipelines auf den afrikanischen Markt. Doch das Reich der Mitte bietet auch andere Güter an, die für afrikanische Gesellschaften geeigneter sind als die vorhandenen westlichen Konsumgüter, die hauptsächlich wohlhabende Mittelschichten anpeilen. Während die Krankheiten der Armut für westliche Pharmafirmen nicht interessant sind, erzeugen chinesische Firmen seit Jahrzehnten billige Malariamittel. Deren Export nach Afrika wird von der chinesischen Regierung subventioniert. Chinesische Firmen sind auch eher bereit, in Afrika mit lokalen Firmen zusammenzuarbeiten, als westliche Konzerne.

Langer Marsch

Bei der rasanten Industrialisierung ihres Landes liess sich die chinesische ­Regierung früher nicht von ökologischen Bedenken bremsen. ­Heute bezahlt die Be­völkerung für die Umweltzerstörung einen horrenden gesund­heitlichen und wirtschaftlichen Preis.

Erst seit 2003 räumen Präsident Hu Jintao und Premierminister Wen Jiabao dem Schutz der Umwelt und dem sozialen Ausgleich ein stärkeres Gewicht ein. Die chinesische Regierung hat zudem vor Kurzem begonnen, die Bedeutung von Umweltschutz und sozialem Ausgleich auch für ihre internationalen Beziehungen anzuerkennen. Dahinter stehen die Sorge um den Ruf Chinas und das Nachrücken einer jüngeren, offeneren Führungsschicht. Cheng Siwei, ein führendes Mitglied des Nationalen Volkskongresses, forderte im Januar 2007 massive Strafen für chinesische Firmen, die ihre soziale Verantwortung verletzen. «Sogar in Entwicklungsländern werden ausländische Firmen, die blind für ihre soziale Verantwortung sind, aus dem Markt geworfen werden», warnte Cheng. Chinesische Umweltorganisationen wie das Global Environmental Institute sind interessiert, die soziale und ökologische Verantwortung chinesischer Finanzinstitutionen zukünftig im eigenen Land zu thematisieren.

Im Dezember traf sich der Präsident der China Exim Bank, Li Ruogu, in Peking zu einem Meinungsaustausch mit der Menschenrechts- und Umweltorganisation International Rivers Network (IRN). IRN engagiert sich seit 2004 gegen den Merowe-Staudamm. Li Ruogu betonte bei diesem Treffen, dass sich seine Institution für den Schutz der Umwelt und der betroffenen Bevölkerungsgruppen einsetze. Seit Ende 2004 habe die China Exim Bank eine eigene Umweltpolitik.

Li gab aber zu, dass in der Vergangenheit Fehler passiert seien. Er kündig­te an, eine Delegation nach Sudan zu schicken, um die Probleme des Merowe-Staudamms zu untersuchen. Seither hat die chinesische Regierung verbilligte Exportkredite und andere Anreize für Firmen, die im Sudan und in weiteren Ländern investieren, gestrichen. Ob hinter diesem Entscheid Menschenrechtsüberlegungen stehen, ist nicht klar.

Bei der Berücksichtigung der sozialen und ökologischen Auswirkungen seiner wirtschaftlichen Expansion steht China am Anfang eines langen Marsches. Um echte Fortschritte zu erzielen, müssen afrikanische nichtstaatliche Organisationen (NGOs) und soziale Bewegungen solche Anliegen direkt in China einbringen und verstärkt auch gegenüber ihren eigenen Regierungen durchsetzen. Ein erster Austausch zwischen afrikanischen und chinesischen NGOs ist für den Mai in Schanghai geplant.

* Peter Bosshard ist Policy Director von International Rivers Network (IRN) in Berkeley (USA).

Aus: Wochenzeitung WOZ, 22. März 2007



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