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Pekings Strategie zielt auf Öl und diplomatische Unterstützung

Präsident Hu Jintao auf Afrika-Tour: China gewinnt auf dem Kontinent mehr und mehr an Boden / Wachsender Bedarf an Rohstoffen und Absatzmärkten trifft nicht immer auf Gegenliebe

Von Anna Guhl, Peking *

China hat seit einigen Jahren seinen Blick nach Afrika geworfen. So führt auch die erste Auslandsreise von Chinas Staatspräsident Hu Jintao in diesem Jahr nach Afrika. Am Dienstag (30. Jan.) begann in Kamerun seine zwölftägige Afrika-Reise.

Afrika steht bei Chinas Staatspräsident Hu Jintao hoch im Kurs. Schon zweimal verband er nach seinem Amtsantritt 2003 Auslandsaufenthalte mit Abstechern auf den schwarzen Kontinent. Dieses Mal ist es mehr als ein Abstecher: Hu Jintao nimmt sich ausschließlich für acht Staaten, quer über ganz Afrika verteilt, zwölf Tage Zeit. Dass er dabei auch kleine und weniger bedeutende Länder wie die Seychellen nicht ausspart, zeigt wieder einmal, dass Chinas Führung nicht nur die Beziehungen mit wenigen ausgesuchten Ländern intensivieren will, sondern strategisch den gesamten Kontinent im Auge hat. Erstrangiges Interesse bleiben die Wirtschaft- und Handelsbeziehungen. Vor dem Hintergrund einer Wachstumsrate von über zehn Prozent auch im letzten Jahr muss sich Peking langfristig nicht allein die Energie- und Rohstoffzufuhr für die boomende Wirtschaft sichern, sondern auch nach lukrativen Absatzmärkten umsehen. Die Handelsbeziehungen mit den westlichen Ländern gestalten sich zunehmend schwieriger, Chinas rasante Entwicklung wird immer öfter mehr als Bedrohung denn als Chance gesehen.

Auf dem afrikanischen Kontinent dagegen haben gerade im letzten Jahr mehr als zehn Staaten China als Marktwirtschaft anerkannt und damit den Weg freigemacht für einen ungehinderten Warenverkehr in beide Richtungen. Um über 40 Prozent ist der Handelsumsatz im letzten Jahr auf rund 55 Milliarden Dollar angestiegen. Die Sicherung von stabilen Öllieferungen wird auch auf Hus Reiseliste ganz oben stehen. China ist nach den USA weltweit der größte Ölkonsument, über 30 Prozent des benötigten Öls kommen aus Afrika, und der Zuwachs lag in den letzten Jahren jedesmal weit über zehn Prozent. Strategisch wichtig in diesem Zusammenhang ist Sudan. Systematisch haben sich chinesische Unternehmen seit den 90er Jahren ins Ölgeschäft Sudans eingekauft und kontrollieren inzwischen weit über 40 Prozent.

Doch der Darfur-Konflikt gefährdet auch Chinas Interessen. Alle Bemühungen der UNO um eine Beilegung der Krise scheiterten bisher unter anderem auch an China. Andererseits ist die UNO für die chinesische Führung eine wichtige Bühne zur Durchsetzung eigener internationaler Ansprüche. Chinas Staatschef Hu wird Stellung beziehen müssen. Chinesische Experten gehen davon aus, dass er bei der sudanesischen Führung auf mehr Kooperationsbereitschaft mit der UNO und der internationalen Gemeinschaft drängen wird.

Dass China nicht allein für den afrikanischen Markt interessante Waren bereithält, umfangreich in den Aufbau der Infrastruktur zahlreicher Länder investiert, gleichzeitig zinsgünstige Kredite offeriert und Schulden in Millionenhöhe erlässt, wird von vielen afrikanischen Regierungen sehr begrüßt. Für einige Staaten ist es oft die einzige Möglichkeit, an wichtige Waren und nötiges Geld heranzukommen, weil der Westen wegen unakzeptabler politischer Verhältnisse die Zufuhren sperrte. Doch so ganz selbstlos gibt sich auch China nicht. Es erwartet neben dem eindeutigen Bekenntnis zur Ein-China-Politik eben auch Rückendeckung in internationalen Organisationen, vor allem in den Vereinten Nationen, oftmals entgegen den Wünschen der USA und europäischer Staaten.

Zwar wehrt sich der zuständige Afrika-Beamte im chinesischen Außenministerium auch vor diesem Besuch gegen Vorwürfe, »Neokolonialismus« zu betreiben. Aber die chinesische Afrika-Politik ist trotz viel Euphorie und demonstrierter Einigkeit auf höchster Ebene, wie der China-Afrika-Gipfel im November letzten Jahres in Peking zeigte, eben nicht unumstritten. Dass in diesem Jahr bereits das zweite Mal chinesische Arbeiter in Nigeria »verschwanden«, scheint ein Zeichen dafür zu sein, dass von der immer wieder beschriebenen »tiefen Freundschaft« unter den einfachen Menschen noch wenig zu spüren ist. Und das betrifft beide Seiten. Auch chinesische Medien geben zu, dass ihre Arbeiter und Angestellten wenig Interesse am Alltag ihrer afrikanischen Mitarbeiter zeigen und viel lieber unter sich bleiben.

Reiseroute

In Kamerun begann Chinas Präsident Hu Jintao am Dienstag, den 30. Januar 2007, seine Afrikareise, die ihn danach nach Sudan führt. Weitere Stationen sind:
Liberia, Sambia, Namibia, Mosambik, die Seychellen und Südafrika.
Die Republik Südafrika ist mit einem Volumen von umgerechnet 6,8 Milliarden Euro Chinas wichtigster Handelspartner auf dem schwarzen Kontinent.



* Aus: Neues Deutschland, 1. Februar 2007


Beispiel Kamerun

(...)
Auf der aktuellen Reise Hus spiegelt sich das vielfältige chinesische Engagement in Afrika wider. Beispiel Kamerun: Chinesische Unternehmen sind beim Bau von Infrastrukturprojekten und im Agrarsektor aktiv. Hauptsächlich exportiert Kamerun Baumwolle und Nutzhölzer, während es aus China Schuhe, Traktoren und elektronische Produkte einführt. Beide Länder setzen zudem auf personellen Austausch und Training von Wirtschaftsfachleuten und Diplomaten. In Liberia wird der chinesische Staatspräsident ein Zentrum zur Malariabehandlung eröffnen. Mit Moçambique wird ein Pilotprogramm zur Landwirtschaftstechnologie gestartet. In Sambia wird Hu Jintao der Eröffnung einer gemeinsamen Wirtschaftsentwicklungszone beiwohnen. In dieser Zone in der sambischen Stadt Kitwe hat eine chinesische Metall- und Bergbau- Gesellschaft, die dort bereits die Chambeshi Mine betreibt, 200 Millionen US-Dollar in eine Kupferschmelzanlage für die Verarbeitung vor Ort investiert.

Durch die Reise wird die neue strategische Zusammenarbeit zwischen dem asiatischen Land und dem afrikanischen Kontinent verstärkt. Dabei wurde in der westlichen Berichterstattung China bereits seit dem Gipfel im November 2006 unterstellt, den afrikanischen Ländern vordergründig Wirtschaftshilfe anzubieten, in Wirklichkeit aber eigene Interessen zu bedienen und quasi neue koloniale Abhängigkeiten zu etablieren. Solche Vorwürfe reduzieren die Kooperationen auf die Tatsache, daß Chinas immenses Wirtschaftswachstum und seine derzeitige Produktivitätsphase mit einem ebenfalls rapide gewachsenen Bedarf an Rohstoffen und Energie einhergehen. Zwar entfallen vier Fünftel der chinesischen Importe aus afrikanischen Ländern auf Rohstoffe, doch ist die Zusammenarbeit nicht grundsätzlich vom Zugang zu Ressourcen bestimmt und damit auf singulär abhängige Staaten konzentriert. Entwicklungshilfe und chinesische Investitionen kommen großen Infrastrukturprojekten, aber auch der Erschließung von kleineren, als unbedeutend angesehenen und damit von anderen Ländern als riskant bewerteten Vorhaben zugute. Zudem werden Kredite nicht an die üblicherweise vom Internationalen Währungsfonds (IWF) diktierten Bedingungen geknüpft. Vielmehr beruft sich China auf das Nichteinmischungsprinzip. Übrigens steht die Volksrepublik damit nicht allein. Weniger beachtet verfahren auch Indien und Brasilien in Afrika bei Kreditvergaben und umfangreichen Investitionen auf die gleiche Weise. (...)

Auszug aus einem Artikel, der am 2. Januar 2007 in der "jungen Welt" erschien (Annick Schneider: "Der China-Boom")




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