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Tote bei Bildungsprotest

Chile: Soziale Bewegungen demonstrieren für Beteiligung an Reformprozess. Zwei Studenten erschossen

Von Lena Kreymann *

Bei Bildungsprotesten sind am Donnerstag in der chilenischen Hafenstadt Valparaíso zwei Studenten erschossen worden.

Zu den Demonstrationen hatten Schüler- und Studentenorganisationen sowie der Lehrerverband CPC aufgerufen, dem waren allein in der Hauptstadt Santiago laut Veranstaltern über 100.000 Menschen gefolgt, die Polizei sprach von 50.000. Unter dem Motto »Chile soll entscheiden« forderten sie dort und in zahlreichen anderen Städten eine Beteiligung an den Diskussionen zu der geplanten Bildungsreform. In der Metropole setzten die Behörden Wasserwerfer und Tränengas gegen die Demonstranten ein.

In Valparaíso, wo sich rund 6.000 Menschen versammelt hatten, wollten der 18jährige Exequiel Borbarán Salinas und der 25jährige Diego Guzmán Farías gegen Ende der Proteste ein Graffiti auf eine Hauswand sprühen. Sie gerieten in Streit mit dem Hausbesitzer. Dessen Sohn trat mit einem Revolver auf die Straße und schoss auf die beiden jungen Demonstranten. Sie starben im Krankenhaus, der Täter wurde festgenommen, wie die Nachrichtenagentur Prensa Latina berichtete.

Die Studenten reagierten mit Wut und Enttäuschung. »Es darf nicht sein, dass die Verteidigung des Privatbesitzes Menschenleben kostet«, erklärte Valentina Saavedra, Sprecherin der landesweiten Studentenorganisation Confech. Auch die Kommunistische Jugend Chiles (JJCC), deren Mitglied Guzmán war, meldete sich zu Wort: »Wir kämpfen für ein anderes Chile«, heißt es in einer im Internet veröffentlichten Erklärung. »Dieser Vorfall zeigt uns, dass dieses Chile, in dem Rechte garantiert sind, noch nicht existiert.« Camila Vallejo und Carol Cariola, prominente Gesichter der Bildungsproteste 2011 und heute Parlamentsabgeordnete der Kommunistischen Partei Chiles (PCC), sprachen den Familien ihr Beileid aus.

Bereits am Donnerstag abend versammelten sich dem lateinamerikanischen Fernsehsender TeleSur zufolge Tausende Menschen an zentralen Plätzen in Santiago, Valparaíso und weiteren Städten. Dort zündeten sie Kerzen an, um der beiden Ermordeten zu gedenken. In der Hauptstadt zogen die Teilnehmer vor das Hauptgebäude der Universität, das von Studenten seit Mittwoch nacht besetzt ist. Auch dort griff die Polizei hart durch, nachdem einige Vermummte mit dem Barrikadenbau begonnen hatten, und zerstreute die Demonstration.

Seit Jahren kritisieren Eltern, Lehrer, Schüler und Studenten das selektive und stark privatisierte Bildungssystem Chiles, das noch aus der Diktatur Augusto Pinochets stammt. Die seit März 2014 amtierende Präsidentin Michelle Bachelet will mit ihrem linken Regierungsbündnis »Nueva Mayoría«, dem auch die PCC angehört, gute kostenlose Bildung auf allen Ebenen ermöglichen, sogar an den Universitäten. Mit einer Steuerreform im vergangenen Jahr ist bereits ein Schritt zur Finanzierung gegangen worden, das Parlament hat im Januar außerdem ein erstes Gesetz gegen Selektion und Profitstreben an staatlich finanzierten Schulen verabschiedet. Dennoch befürchten Studenten- und Lehrerverbände, dass die Reformen nicht weit genug gehen, und wollen von ihnen diskutierte Ideen einbringen. Seit Anfang April gibt es deshalb wieder regelmäßig Proteste. Bei der ersten Kundgebung am 6. April erklärte laut der kommunistischen Zeitung El Siglo der Sprecher der Bundesorganisation der Oberschüler (Cones), Ricardo Paredes: »Chile erträgt keine Kompromisse mehr, weder mit der Rechten noch mit den zögerlichen Teilen der ›Nueva Mayoría‹. Diese Demonstration ist ein Zeichen der Mehrheit, die die Bildung wieder in staatlicher Hand sehen will.«

* Aus: junge Welt, Samstag, 16. Mai 2015


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