Mapuche kämpfen für Rückübertragungen
Chiles Indígenas wollen sich von der Regierung nicht mehr abspeisen lassen
Von Benjamin Beutler *
Die chilenischen Mapuche-Indígenas stehen am Rand der Gesellschaft. Ihre
Proteste für die Rückgabe von Ländereien reißen nicht ab.
Die Kampfansage ist unüberhörbar: »Die Mobilisierungen gehen weiter, sie
werden nicht aufhören. Unseren traditionellen Autoritäten und
mobilisierten Gemeinschaften haben wir gesagt, dass wir direkt mit der
Präsidentin anstatt mit Zwischenhändlern reden wollen«, teilte
Mapuche-Vertreter Manuel Calfuqueo am Sonntag die Entscheidung eines
Treffens der ethnischen Minderheit mit. Als Gegenleistung für eine
Gesprächsrunde mit Michelle Bachelet wurde eine »Waffenruhe«
versprochen, die seit Juli anhaltenden Proteste, Landbesetzungen und
Angriffe auf Überlandbusse würden ausgesetzt. Im rund 650 Kilometer
südlich von der Hauptstadt Santiago de Chile gelegenen Puerto Domínguez
waren die lonkos und werkenes (gewählte Stammesvertreter) am Wochenende
zusammengekommen, um »ein politisch-technisches Team aufzustellen«, so
Calfuqueo. Das Team soll die Forderungen der Mapuche formulieren und der
Regierung übermitteln.
Auch der Gedenkmarsch für die Familie von Jaime Mendoza Collío wurde für
Montag (n. Redschluss) angekündigt. Er sollte durch die
Distriktshauptstadt Temuco von »La Araucanía«, dem Hauptsiedlungsgebiet
der Mapuche, führen. Am 12. August war der 24-jährige Jaime Mendoza
Collío im Range eines weichafe (Kämpfer) bei Zusammenstößen zwischen
schwer bewaffneten Spezialeinheiten der chilenischen Carabinero-Polizei
und Mapuche-Aktivisten mit mehreren Schüssen in den Rücken getötet worden.
»Mit dieser repressiven Haltung und der Forderung einiger politischer
Sektoren, die noch mehr Polizeipräsenz fordern, noch mehr Gewalt, noch
mehr Härte, werden wir den Konflikt nicht lösen, sondern nur noch mehr
Benzin ins Feuer gießen«, mahnte Manuel Camilo Vial, Bischof von Temuco
und Präsident der »Stiftung Institut Indígena« an. Den landesweiten
Medien wirft er Skandalisierung und Kriminalisierung der »historischen
Forderung der Mapuche« vor. Die rund 800 000 im südamerikanischen Land
lebenden Indigenen (acht Prozent der Bevölkerung) werden als
»Eingeborene« dargestellt, als primitive Störenfriede gefährdeten sie
den »sozialen Frieden und die Ruhe« in Chile.
Doch werden die Mapuche im Namen von »Entwicklung und Fortschritt« immer
weiter an den Rand gedrängt. »Ganz Chile« bezahle jetzt für die »Fehler
der Vergangenheit«, die Enteignungen von Mapuche-Land - heute zugunsten
internationaler Agroindustrie-Multis, früher zugunsten europäischer
Siedler aus Italien und Deutschland - sowie deren gesellschaftliche
Ausgrenzung seien eine »alte soziale Sünde«. Zugleich bot der Bischof
die Vermittlung der katholischen Kirche an. »Wichtiger als zu vermitteln
wäre die Wiederherstellung der Mapuche-Gemeinschaftsrechte an besetzten
Länderein, die sich in den Händen der Kirche und all der »Katholiken«
befinden, die das Land, den Staat und die Medien kontrollieren und
gewohnt sind, uns schlecht zu behandeln, zu schaden und zu treten«,
entgegnet dem Angebot ein auf dem Internetportal Mapuexpress
veröffentlichter Forderungskatalog.
Widerstand sind die Mapuche gewohnt. Über 300 Jahre wehrten sich die
Ureinwohner Chiles, die traditionell zwischen den aus den Anden in den
Pazifik fließenden Flüssen Bío Bío und Toltén siedeln, gegen die
spanischen Konquistadoren. Erst 1883 wurden sie besiegt, seitdem leben
sie in Reservaten. Ihre Sprache Mapudungun wird in der Schule als
Nebenfach angeboten. Doch gehört die Minderheit weiter zu den Verlierern
im wohlhabendsten Land des Kontinents: Rund jeder fünfte gehört zur
Kategorie der relativ oder gar absolut Armen. Letztere leben statistisch
von weniger als 1,25 Dollar pro Kopf und Tag.
* Aus: Neues Deutschland, 25. August 2009
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