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Machterhalt durch Laufverbot

Wegen Protesten gegen Regierung droht 21 Joggern in Burundi lebenslange Haft

Von Iris Anna Kötter *

Wer bei dem herrlichen Frühlingswetter seine Turnschuhe anzieht, kann in unseren Breitengraden einfach loslaufen. Im ostafrikanischen Burundi ist das Joggen zu einer ziemlich riskanten Sportart geworden. Wer dort nicht am richtigen Ort oder zur falschen Zeit seine Runden dreht, bekommt es mit dem Präsidenten Pierre Nkurunziza zu tun. Für ihn ist die Ausübung des beliebten Volkssports ein Protest gegen seine Regierungsführung. Nkurunzizas zweite Amtsperiode endet 2015. Doch der Pastor der »Born Again Christians«, einer aus den USA kommenden evangelikalen Kirche, will unbedingt an der Macht bleiben.

Seit Anfang des Jahres versucht Nkurunziza, mit den Repräsentanten seiner Regierungspartei »Nationalkongreß zur Verteidigung der Demokratie – Kräfte der Verteidigung der Demokratie« (CNDD-FDD) Gesetzesänderungen durchzusetzen, die ihm eine weitere Regierungszeit ermöglichen würden. Beispielsweise sollen die zwei Vizepräsidenten durch einen einzigen Super-Premierminister ersetzt werden, damit wäre die Klausel gegen seinen Wiederantritt hinfällig. Außerdem bemüht sich Nkurunziza die letzten kritischen Gegenstimmen innerhalb des kleineren Koalitionspartners, der »Union für den nationalen Fortschritt« (UPRONA), mundtot zu machen. Drei Minister sind deswegen schon von ihrem Posten zurückgetreten.

Die CNDD-FDD gewann 2010 die Kommunalwahlen mit Ausnahme der Hauptstadt und der Provinz Bujumbura Rural. Die insgesamt 13 Oppositionsparteien, heute sind es 43, beanstandeten damals Unregelmäßigkeiten und forderten vergeblich die Annullierung der Wahlen. Daraufhin boykottierten die wichtigsten Oppositionsführer der »Nationalen Kräfte der Befreiung« (FNL) und der »Bewegung für Sicherheit und Demokratie« (MSD), Agathon Rwasa und Alexis Sinduhije, die Präsidentschaftswahlen. Präsident Nkurunziza wurde mit 77 Prozent der Stimmen im Amt bestätigt. Seine Partei übernahm bei den Parlamentswahlen 81 der 106 Sitze und schloß sich mit der UPRONA zusammen.

Demonstrationen gegen die Manöver der CNDD-FDD sind von der Regierung nicht gern gesehen und werden so gut wie nie genehmigt. So bleibt der Opposition nichts anderes übrig, als – wie am 8. März geschehen – gemeinsam zu joggen. Läufe gab es im ganzen Land: in der Hauptstadt, in den Vororten und in ländlichen Bezirken wie Butere, Kagamenge, Cibitoke, Bwiza, Musaga und Nyakabiga. Auch die Polizei beteiligte sich an der Massensportveranstaltung: Mit Tränengas, Granaten und Maschinenpistolen feuerten sie in die Menge. Zwanzig Sportlerinnen und Sportler wurden zum Teil schwer verletzt, die Erstversorgung durch das Internationale Roten Kreuz durch die Freunde und Helfer Nkurunzizas verweigert. 70 Jogger sind zur Zeit in Haft, 21 sind bereits wegen bewaffneten Aufstands angeklagt.

Der erst im Oktober 2013 aus dem Exil nach Burundi zurückgekehrte Alexis Sinduhije, ein renommierter Journalist und Gewinner von mehreren Menschenrechtspreisen, ist auf der Flucht. Der aussichtsreichste Präsidentschaftskandidat muß nicht nur mit einer lebenslangen Haftstrafe wegen unerlaubten Joggens in besonders schwerem Fall rechnen, ihm werden nun auch noch Verbindungen zur radikal­islamischen Al-Schabab angedichtet. Auf Sinduhije wurden in der Vergangenheit schon mehrere Mordanschläge verübt. Viele Oppositionelle sind seit den Wahlen 2010 gefoltert und getötet worden. Hunderte MSD-Anhänger und Mitglieder anderer Parteien sitzen hinter Gittern. Fakt ist, daß es bis zu den Wahlen im Juni 2015 für die Opposition kein gemeinsames Joggen mehr geben wird.

»Auf der Straße in einer Gruppe zu marschieren oder zu joggen ist verboten«, erklärte Regierungssprecherin Candide Kazatsa kürzlich. Erlaubt ist das Laufen zur körperlichen Ertüchtigung jetzt nur noch in den neun Parks der Hauptstadt Bujumbura oder auf ausgewiesenen Fußballplätzen. Mit dem unsportlichen Verhalten Pierre Nkurunzizas und seiner Regierung will sich die burundische Opposition nicht abfinden. Am 5. April hat sie in Brüssel und Washington zu Demonstrationen aufgerufen.

* Aus: junge Welt, Donnerstag, 10. April 2014


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