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Militär ergreift die Macht

Burkina Faso: Demonstration für "demokratischen und zivilen Übergang" *

Nach der Machtübernahme durch das Militär in Burkina Faso sind am Sonntag Tausende Menschen zur Sendezentrale des Staatsfernsehens in der Hauptstadt Ouagadougou marschiert, um eine Übergabe der Macht an eine zivile Regierung zu fordern. Die Demonstranten hatten sich seit dem Morgen auf dem zentralen Platz der Hauptstadt versammelt, auf dem auch die Proteste gegen den am Freitag zurückgetretenen Staatschef Blaise Compaoré stattgefunden hatten. Die Demonstranten schwenkten Transparente mit Aufschriften wie »Gegen die Beschlagnahme unseres Sieges, es lebe das Volk« oder »Zida, hau ab« mit Blick auf den neuen Militärmachthaber Isaac Zida. Soldaten der Präsidentengarde schossen vor dem Sitz des Radio- und Fernsehsenders RTB in die Luft, um Demonstranten zu vertreiben, wie Korrespondenten berichteten. Die Armee brachte den öffentlichen Fernsehsender unter ihre Kontrolle.

Neuer starker Mann ist vorerst der Vizekommandeur der Präsidialgarde, Isaac Zida. Die Militärführung einigte sich, dass der in der Bevölkerung bis dahin wenig bekannte Offizier Präsident für eine Übergangszeit wird. Zida bezog den Präsidentenpalast, versprach einen »friedlichen, demokratischen Übergang« und kündigte Wahlen innerhalb von drei Monaten an. Auch Armeechef Honoré Traoré sagte Zida seine Unterstützung zu.

Auch die Bundesregierung, die UNO und die USA forderten eine rasche Machtübergabe an eine zivile Übergangsregierung. Die Verfassung schreibt vor, dass der Parlamentspräsident im Fall eines Rücktritts des Präsidenten dessen Amt übernimmt, doch hatte Oberstleutnant Zida die Verfassung am Freitag für ausgesetzt erklärt. Der bisherige Staatschef Compaoré war am Freitag nach Protesten gegen eine geplante Verfassungsänderung, die ihm eine Verlängerung seiner Präsidentschaft erlauben sollte, zurückgetreten. Compaoré floh anschließend in die benachbarte Elfenbeinküste.

* Aus: junge Welt, Montag, 3. November 2014


Schwarzer Frühling in Gefahr

Martin Ling über die militärische Machtübernahme in Burkina Faso **

Für eine militärische Personalrochade sind die Burkiner nicht auf die Straßen gegangen: Sie wollen einen grundlegenden, demokratischen Neuanfang nach 27 Jahren Herrschaft von Blaise Compaoré. Der erste wichtige Schritt in diese Richtung ist geschafft, Compaoré ist bei seinem Freund Alassane Ouattara in der benachbarten Côte d’Ivoire untergekommen und dass er noch einmal direkt zur Macht in Burkina Faso zu greifen vermag, ist unwahrscheinlich.

Statt Compaoré haben nun Militärs das Ruder übernommen. In welchem Einvernehmen mit dem Ex-Militär, Putschisten und Langzeitpräsidenten Compaoré dies geschah, ist nicht ausgemacht. Sicher ist, dass sowohl Armeechef Traoré als auch Oberst Zida, die Ansprüche auf die Präsidentschaft anmeldeten, nicht als ausgewiesene Gegner des Präsidenten in Erscheinung traten. Zida, bisher Vize-Kommandeur der Präsidialgarde, hat den innermilitärischen Machtkampf fürs Erste gewonnen.

Damit der von der Opposition hoffnungsvoll in Anlehnung an den Arabischen Frühling als »Schwarzen Frühling« gefeierte Sturz von Compaoré nicht wie in Ägypten verpufft, werden die Burkiner den Druck auf den Straßen aufrechterhalten müssen. Und zwar solange, bis ein verbindlicher und zügiger Fahrplan für demokratische Neuwahlen steht.

** Aus: neues deutschland, Montag, 3. November 2014 (Kommentar)


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