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Auf der Spur einer Erdgaspipeline

Das Projekt South Stream und die Ursachen der jüngsten bulgarischen Krise

Von Tina Schiwatschewa, Sofia *

In Sofia rief Russlands Außenminister die EU-Kommission am Montag zu neuen Beratungen über das South-Stream-Projekt auf. Eben dieses Projekt steht im Hintergrund der Regierungskrise in Bulgarien.

Resultat der jüngsten politischen Krise in Bulgarien sind die für den 6. August geplante Ernennung einer »technischen« Übergangsregierung und die vorgezogenen Parlamentswahlen am 5. Oktober. Um zu verstehen, wie es dazu kam, muss man auch einer Spur folgen, die bei näherem Hinsehen dem Verlauf der Gaspipeline South Stream verdächtig nahe kommt.

Die ökonomischen Spannungen, die diese letzte Krise hervorgerufen haben, wurzeln in den Problemen der bulgarischen Korporativen Handelsbank (KTB), über die fast alle bulgarischen Energiekonzerne ihre Geschäfte abwickeln – und bei der sie ihre Gewinne lagern. Ende 2013 verfügte Bulgariens fünftgrößte Bank über Aktiva im Wert von 3,35 Milliarden Euro. Während andere bulgarische Banken Probleme hatten zu überleben, machte KTB seit 2009 dank der privilegierten Geschäftsbeziehungen satte Gewinne.

Bis zum 20. Juni dieses Jahres. An diesem Tag fror die Bulgarische Nationalbank alle Transaktionen von KTB ein und nahm die Bank unter spezielle Kontrolle. KTB hatte darum gebeten, wegen »akuter Liquiditätsprobleme«. Die Gründe liegen teils noch immer im Dunkeln, aber vieles deutet auf die Beziehungen der Bank zum Projekt der Schwarzmeerpipeline South Stream – und die direkte Einflussnahme der EU-Kommission.

Am 3. Juni hatte die Brüsseler Kommission von der bulgarischen Regierung unumwunden verlangt, die Arbeiten an dem Gemeinschaftsunternehmen mit Russland einzustellen. Behauptet wurde, dass der bilaterale bulgarisch-russische Vertrag gegen EU-Recht verstoße. Das kam sehr überraschend, da die Vorbereitungen zum Bau der Pipeline bereits seit fünf Jahren laufen. Die bulgarische Minderheitsregierung der Sozialistischen Partei (BSP) und der Bewegung für Rechte und Freiheiten (DPS), der Partei der türkischen Minderheit, weigerte sich indes zunächst, dem Brüsseler Verlangen Folge zu leisten. Daraufhin stoppte die EU zeitweilig die Auszahlung von Millionen Euro aus dem Regionalentwicklungsfonds.

Der bulgarische Widerstand dauerte nur bis zum 8. Juni, als Senator John McCain aus den USA einflog und Premier Plamen Oresharski persönlich wegen der »Gefahren« warnte, die mit der Fortsetzung des Projekts verbunden seien. Oresharski zeigte sich erpressbar und verkündete sofort die Unterbrechung der Arbeiten.

Schon am 6. Juni hatte der US-Botschafter den Druck auf die bulgarische Regierung erhöht, indem er darauf hinwies, dass das Unternehmen Stroitransgas – Hauptauftragnehmer für South Stream – auf der Sanktionsliste der USA stehe. Die Aktienmehrheit von Stroitransgas gehört der Wolga-Gruppe Gennadi Timtschenkos, eines russischen Geschäftsmannes, der von den USA seit der Krimkrise boykottiert wird.

Da der Geldstrom aus dem Projekt South Stream ausbleibt, brechen für die Bank KTB harte Zeiten an. Derzeit ist sie faktisch unter Staatskontrolle, ein neuer Investor wird gesucht. Rechte bulgarische Ökonomen schlugen Alarm, als spekuliert wurde, die russische Bank VTB könnte eine Übernahme anbieten: Dies würde eine Zunahme des russischen Einflusses in Bulgarien bedeuten. Aber VTB zeigte sich nicht interessiert. Stattdessen meldete das Sultanat Oman Interesse an der Übernahme größerer Anteile an. Schon 2004 hatte der damalige Wirtschaftsminister Omans, Achmed Maki, angekündigt, Bulgarien könne für sein Land das Tor zur EU werden.

Der ehemalige KTB-Mehrheitseigner Zwetan Wassilew residiert mittlerweile in Wien. Für die Mehrheit der Bulgaren ist das keine Option. Mag sein, dass die Bank also demnächst für einen ausländischen Investor die »Tür zur EU« wird. Nur leider öffnet sich für die Bulgaren dadurch nicht die Tür zum EU-Lebensstandard.

* Aus: neues deutschland, Mittwoch, 9. Juli 2014


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