Bulgariens Protest in der Sommerpause
Westliche Einmischung löst bei den einen Dankbarkeit, bei anderen Empörung aus
Von Tina Schiwatschewa, Sofia *
Auf dem Platz vor dem Sofioter Parlament
ist es wieder ruhiger geworden.
Die Abgeordneten der bulgarischen
Nationalversammlung haben
Sommerpause. Ein deutlicher Kontrast
zu den 50 Tagen, als dieser Platz
beinahe täglich Menschenansammlungen
erlebte.
Mindestens zwei- bis dreitausend
Demonstranten waren seit Mitte
Juni täglich auf dem Parlamentsplatz
zusammengekommen, um
die nach vorzeitigen Wahlen im
Mai gebildete Regierung unter
Führung der sozialdemokratischen
BSP zum Rücktritt zu bewegen.
Lautstark und ideenreich:
Vom Protest-Beachvolleyball bis
zur Protest-Performance reichte
das Programm der Demonstranten.
Am 23. Juli blockierten sie gar
die Ausgänge des Parlamentsgebäudes
und machten die Volksvertreter
für eine Nacht gleichsam
zu Geiseln. Mittlerweile sind die
Proteste abgeebbt.
Nicht gelegt hat sich dagegen
der Ärger, den deutsche Auslandsvertretungen
gegenüber der immerhin demokratisch gewählten
Regierung in Sofia deutlich
machen. Der Leiter des Büros der
Konrad-Adenauer-Stiftung in Sofia,
Dr. Marco Arndt, hatte beispielsweise
gelobt, die Demonstranten
des Sommers seien »keine
armen, deklassierten mehr wie
noch im Februar«. Damals hatten
Proteste gegen steigende Stromund
Heizungskosten zum Rücktritt
der rechten Regierung unter Boiko
Borissow geführt. Nunmehr sei es
»die Zivilgesellschaft«, die auf die
Straße geht. Arndt verbreitet sich
gerne über Bulgariens »Fehler«.
Die neue Regierung habe einen viel
niedrigeren Horizont in ihrer Fiskalpolitik
als jede Mitte-Rechts-
Regierung vor ihr, beschwerte er
sich. Im Übrigen hätten »die bulgarischen
Regierungen der letzten
sechs Jahre nicht erkannt, dass
deren Innenpolitik jetzt Teil der
Innenpolitik der Europäischen
Gemeinschaft ist«.
Kommentare einer politisch
klar zu verortenden Stiftung sind
eine Sache. Eine andere sind Verlautbarungen
der deutschen Botschaft.
In einer gemeinsamen Erklärung
gaben die Botschafter der
Bundesrepublik und Frankreichs,
Matthias Höpfner und Philippe
Autie, offiziell ihre Unzufriedenheit
mit der Regierung kund. Darin
wurde Bulgarien aufgefordert,
»dem oligarchischen Stil des Regierens
eine Absage zu erteilen«,
und »der Zivilgesellschaft Gehör zu
schenken«. In der Tat hatte die
Regierung unter dem parteilosen
Premier Plamen Oresharski mit
der Ernennung des korruptionsverdächtigen
Medienmoguls Deljan
Peewski zum Chef des Nationalen
Sicherheitsdienstes ein fatales
Eigentor geschossen, das sie
rasch zu korrigieren versuchte. Die
Missionschefs aber hielten es in
ihrer Adresse auch für wichtig zu
erwähnen, dass 40 Prozent aller
EU-Zahlungen an Bulgarien von
deutschen und französischen
Steuerzahlern aufgebracht würden
– eine Behauptung die, obgleich
unbelegt, mehr dem Wedeln mit
einer Kreditrechnung gleichkommt
als einer Mahnung zu demokratischen
Werten. Offensichtlich
sind selbst noch die kargen
Sozialprogramme der neuen Regierung
den ausländischen Gönnern
Bulgariens ein Dorn im Auge.
Bulgariens Außenminister
Kristian Wigenin sprach denn
auch von einem »unüblichen und
beispiellosen« Akt der Botschafter.
Und BSP-Chef Sergej Stanischew
fragte ironisch, wie lange es wohl
brauche, ein oligarchisches Regierungsmodell
zu schaffen und warum
es den Botschaftern ausgerechnet
beim Amtsantritt dieser
Regierung aufgefallen sei. Denn
zuvor hätten sie geschwiegen.
Auch Teile der bulgarischen Presse
kritisierten das Papier: Die Zeitung
»Monitor« erinnerte daran, dass
Bulgarien keine Kolonie, sondern
ein souveräner Staat ist.
Viele der Sommerprotestler
zogen indessen vor die Botschaften
beider Staaten und bedankten sich
für die Erklärung. Diese Gelegenheit
ergriff der Direktor des Goethe-
Instituts in Sofia und ließ die
Öffentlichkeit wissen: »Wenn ich
der bulgarische Premierminister
wäre ..., würde ich zurücktreten.«
Der CSU-Bundestagsabgeordnete
Hans-Peter Uhl, im Auftrag seiner
Partei seit Langem in Bulgarien
engagiert, schrieb an die Europäische
Kommission und wollte erreichen,
dass sie gegen Maßnahmen
der bulgarischen Regierung
interveniert, die angeblich die
Herrschaft des Rechts und den
Kampf gegen die organisierte Kriminalität
zunichte machten.
Ungeachtet dessen schrumpfte
die Zahl der Protestierenden zuletzt
zusehends. Die meisten gehörten
tatsächlich zur besser gestellten
Mittelschicht, ihre Demonstrationen
blieben von Beginn an auf Sofia begrenzt. Hinter der
Losung »Nieder mit der Korruption!
« verbarg sich bei vielen die
Forderung »Her mit dem Geld, das
ihr anderen gebt!« Auch die Suche
nach Medienstars hat wenig genützt.
Zwar setzte sich ein glamouröses
bulgarisches Model »an
die Spitze der Bewegung« und
zeigte als Verkörperung der »Liberté
« Brust, als die Demonstranten
zum Dank auch vor die französische
Botschaft zogen. Die Proteste
konnte auch dieser Gag nicht
wiederbeleben. Die linke Presse
erinnerte daran, dass die Protestierer,
die auf das Motto der französischen
Revolution anspielten,
deren Forderungen nach »Fraternité« und »Egalité« (Brüderlichkeit
und Gleichheit) vergessen hätten.
* Aus: neues deutschland, Mittwoch, 7. August 2013
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