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Verstaatlichung in Vinto

Boliviens Präsident Morales setzt seine Pläne nun auch im Bergbau um

Von Jürgen Vogt, Buenos Aires*

»Ich führe nur den Auftrag des bolivianischen Volkes aus und hole die Bodenschätze für uns zurück.« Umrahmt von Angehörigen der Streitkräfte hat Boliviens Präsident Evo Morales am Freitag das Dekret zur Verstaatlichung der Zinnschmelze Vinto unterzeichnet und setzt seine Pläne nun auch in der Bergbau- und Hüttenindustrie um. Im Mai 2006 hatte er mit den Verstaatlichungen im Energiesektor begonnen.

Die öffentliche Unterzeichnung fand in Oruro, am Standort des Schmelzwerkes statt, 400 Kilometer südlich der Hauptstadt La Paz. Verteidigungsminister Wálker San Miguel verkündete offiziell die Anordnung des Präsidenten, daraufhin besetzten seine Soldaten das Firmengelände. Die anwesenden Arbeiter und Angestellten leisteten keinen Widerstand. Präsident Morales selbst hatte zuvor stabile Arbeitsplätze zugesagt und eine Investition von zehn Millionen Dollar zur Modernisierung der Hütte angekündet. Begründet hatte die Regierung den Schritt mit dem unrechtmäßigen Verkauf der Schmelze vor sieben Jahren. Laut Wálker San Miguel war der Verkauf für 14,7 Millionen Dollar gesetzeswidrig und hat dem bolivianischen Staat erheblichen Schaden zugefügt. Vor der Privatisierung hatte der metallurgische Komplex einen Wert von 140 Millionen Dollar. Der sei durch ein Privatisierungsgesetz erheblich herabgesetzt worden, argumentierte auch Präsident Morales.

Die vormals staatliche Zinnschmelze Vinto war 1999 an die britische Allied Deals verkauft worden. Im März 2003 ging sie in den Besitz der Minengesellschaft Comsur von Ex-Präsident Gonzalo Sánchez de Lozada über. Zwei Jahre später verkaufte Lozada die Firma für 100 Millionen Dollar an den Schweizer Konzern Glencore International AG, der weitere 100 Millionen Dollar für die Minen im Besitz von Comsur zahlte.

Der Schweizer Konzern Glencore International AG ist mit seinem Tochterunternehmen Sinchi Wayra in Bolivien aktiv. Ihm gehören sechs Minen, vier Zuckerfabriken und ein Wasserkraftwerk. Nach eigenen Angaben hat Sinchi Wayra eine Produktionskapazität von jährlich 241 000 Tonnen Zink, 15 000 Tonnen Blei und 12 000 Tonnen Zinn. Für die jetzt verstaatlichte Zinnschmelze werde der Konzern keine Entschädigung erhalten, so Bergbauminister José Guillermo Dalence. »Wir holen nur das Eigentum des Staates zurück, weil diese Firma illegal in eine Privatfirma umgewandelt wurde.«

Präsident Morales hat zudem die Verstaatlichung aller Firmen angekündigt, die früher im Besitz von Ex-Präsident Gonzalo Sánchez de Lozada waren. »Er führte eine schlechte Wirtschaftspolitik ein, verhökerte die Naturressourcen, privatisierte die staatlichen Unternehmen und verschwand glücklich in die USA«, kritisierte er seinen Amtsvorgänger.

Gegen Sánchez de Lozada hat der Oberste Gerichtshof Anfang Februar Haftbefehl erlassen. Er war von 1993 bis 1997 und von 2002 bis 2003 Präsident. 2003 kam es zu einer Protestwelle gegen seinen Wirtschaftspolitik, vor allem gegen seine Zugeständnisse an ausländische Unternehmen bei der Förderung und beim Export von Erdgas. Nach gewalttätigen Auseinandersetzungen, bei den 63 Menschen ums Leben kamen und über 400 verletzt wurden, trat er zurück und floh in die USA. Morales hatte Washington vergangene Woche aufgefordert, »die Mörder« von damals des Landes zu verweisen.

* Aus: Neues Deutschland, 12. Februar 2007


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