Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Mujica öffnet Wege

130 Jahre nach der Niederlage im "Salpeter-Krieg" mit Chile: Bolivien kann dank der Hilfe Uruguays auf einen Zugang zum Meer hoffen

Von Benjamin Beutler *

Wenige Tage vor dem alljährlichen »Tag des Meeres«, der am kommenden Dienstag (23. März) begangen wird, kann Bolivien auf einen Zugang zum Ozean hoffen. Der neue Präsident von Uruguay, José »Pepe« Mujica, machte dem Binnenland auch nach der Rückkehr von seinem ersten offiziellen Besuch bei seinem bolivianischen Amtskollegen Evo Morales Hoffnungen. Im Salpeter-Krieg vor 130 Jahren hatte Bolivien seine Pazifikhäfen an das siegreiche Chile verloren. Das »verlorene Meer« ist bis heute ein nationales Trauma.

Uruguay will nun offenbar Bolivien für dessen Öl- und Gasexporte die kostenfreie Nutzung seiner Industriehäfen in Nueva Palmira und Montevideo gewähren. »Wir haben Bolivien einen Zugang zum Atlantik angeboten«, erklärte Mujica. Neu ist das Angebot allerdings nicht, wie er selbst einräumte. »Eine Vorgängerregierung hat Bolivien in den 1990ern im Hafen Nueva Palmira eine Zone bereitgestellt. Über 1000 Kubikmeter Ladung stehen zur Verfügung, was aber nicht genutzt wird«, wunderte sich der frühere Landwirtschaftsminister und jetzige Staatschef.

Auch deshalb war Mujica bei seinem Besuch Anfang dieser Woche im zentralbolivianischen Cochabamba von Evo Morales äußerst herzlich empfangen worden. Dieser nannte den 74jährigen Gast liebevoll »abuelo« (Großvater) und erklärte dessen kämpferische Zeiten in der Tupamaro-Stadtguerilla zum Vorbild kommender Generationen. Mujica verfolgte bei seinem Besuch aber durchaus konkrete eigene Anliegen. »Unser kleines Land hat keine fossilen Brennstoffe, was uns einschränkt. Bolivien aber hat davon genug«, machte der seit Monatsbeginn regierende Staatschef sein Hauptinteresse klar. »Das Wichtigste ist der Zugang zum Gas« aus La Paz, unterstrich Mujica und bat »die anderen Länder des Großen Heimatlandes« Lateinamerika um Hilfe.

Angesprochen war damit in erster Linie das zwischen beiden Staaten gelegene Argentinien. Damit Gas aus Bolivien, das die zweitgrößten Reserven des Kontinents besitzt, nach Uruguay strömen kann, muß es argentinisches Territorium passieren. Seit drei Jahrzehnten pumpt bereits eine Pipeline zwischen zwei bis fünf Millionen Kubikmeter Gas aus Bolivien an den Rio de la Plata, eine Abzweigung nach Uruguay ist schon vorhanden. Wenn diese Pipeline technisch aufgerüstet werde, könnte Bolivien seine Gasexporte schnell verdoppeln, erklärte bereits der bolivianische Energieminister Fernando Vincenti.

Allerdings ist das Klima zwischen den »Brüderländern« Argentinien und Uruguay noch immer gespannt, weil Uruguay direkt an der Grenze zum Nachbarland eine Zellulosefabrik der chilenisch-schweizerischen Firma Montes del Plata bauen will. Bereits eine schon bestehende in Botnia führte seit ihrer Inbetriebnahme 2007 wegen Umweltschäden zu einer Klage Argentiniens vor dem Internationalen Gerichtshofes in Den Haag. Ein Urteil wird für Ende April erwartet. Vielleicht hofft Mujica deshalb auf eine Vermittlung durch Evo Morales, der Ende März Argentiniens Präsidentin Christina Fernández in La Paz empfangen wird.

* Aus: junge Welt, 20. März 2010


Zurück zur Bolivien-Seite

Zur Uruguay-Seite

Zurück zur Homepage