Störfeuer gegen Evo Morales
Boliviens Opposition lehnt Volksabstimmung über ihre Präfekten ab
Von Benjamin Beutler *
Im Machtkampf mit Boliviens sozialistischem Präsidenten Evo Morales verweigern sich die
Gouverneure von fünf der insgesamt neun Departamentos dem für August angesetzten
Volksentscheid über ihren Amtsverbleib.
Boliviens konservative Regierungsgegner gönnen Präsident Evo Morales und seiner linksgerichteten
Regierung der Bewegung zum Sozialismus (MAS) keine Atempause. Nur einen Tag nach Abhaltung
eines Referendums über mehr regionale Selbstverwaltung in der erdgasreichen Provinz Tarija trafen
sich am Montag die regierungsfeindlichen Präfekten der Gebietsverwaltungen Santa Cruz, Beni,
Pando, Cochabamba und Tarija, um über weiteres Störfeuer zu beraten. Die Landesfürsten Rubén
Costas, Ernesto Suárez Sattori, Leopoldo Fernández, Manfred Reyes und Mario Cossío, die sich in
einem Nationalen Demokratischen Rat (CONALDE) zusammengeschlossen haben, wollen eine
eigenständige Konföderation gründen, die sogenannte Halbmond-Region.
MAS-Kabinettschef Juan Ramón Quintana warnte daraufhin vor einem »offensichtlichen Versuch
territorialer Abspaltung«. CONALDE sei »eine regionale Regierung im Widerspruch zur Verfassung,
um das Land dem Zerfall und der Gewalt preiszugeben, allein, um die Ziele einiger Weniger
durchzusetzen«. Den Kongress, Boliviens Parlament, rief er zur Einleitung von Strafverfahren gegen
die Verantwortlichen auf.
Das Referendum vom Wochenende in Tarija ist der vorläufige Höhepunkt einer von den erbitterten
Morales-Gegnern erdachten Strategie der Zermürbung und des Kräftemessens, der im Mai im
bevölkerungsreichen Santa Cruz begonnen hatte. Nacheinander erklärten sich alle vier
Tieflanddepartamentos im amazonischen Teil Boliviens für »autonom«, indem sie eigene
Landesverfassungen annahmen und die Übernahme weitreichender Kompetenzen für Finanzen,
Bildung, Gesundheit, Land und Bodenschätze verkündeten. Nach Angaben der Opposition in Tarija
wurde das »Autonomiestatut« dort von 80 Prozent der etwa 170 000 eingetragenen Wähler
angenommen. An der Rechtmäßigkeit des vermeintlich demokratischen Wahlgangs ist auch in
diesem Fall zu zweifeln. Der zur Abstimmung stehende Text wurde wie in den vorangegangenen
Fällen von selbst ernannten »Bürgerkomitees« aus Unternehmern, Großgrundbesitzern und
Berufspolitikern ausgearbeitet – hinter verschlossenen Türen und ohne die Beteiligung der
Bevölkerung. Allen Wahlgängen fehlte die erforderliche Genehmigung durch das zuständige Oberste
Nationale Wahlgericht und den Kongress, so dass die MAS-Zentralregierung die Ergebnisse der aus
ihrer Sicht »illegalen Umfragen« nicht anerkennt. Auch die Organisation Amerikanischer Staaten
(OAS), die Europäische Union und die Vereinten Nationen interpretieren die eigenmächtigen
Referenden als Verfassungsbruch. Offizielle unabhängige Beobachter der Volksbefragungen gibt es
also nicht.
Die Rechten scheinen sich derweil über die anhaltende Popularität Evo Morales´, des ersten
indigenen Präsidenten Boliviens, im Klaren zu sein. Gerade darum forderten sie auf ihrem letzten
Treffen politisch Unmögliches: sofortige Neuwahlen unter Ausschluss aller derzeitigen Amtsinhaber,
Anerkennung ihrer Autonomie und Absetzung des für August geplanten landesweiten Referendums
über eine Amtsenthebung des Präsidenten, seines Stellvertreters und der Präfekten. Die Angst der
Rechten vor demokratischer Veränderung scheint groß. Juan Ramón Quintana fragt mit Recht:
»Warum verstecken sich die Präfekten vor dem Amtsenthebungsreferendum, wenn sie ihre
Autonomie-Abstimmungen mit den von ihnen angegebenen Zahlen so haushoch gewonnen
haben?« Die Antwort darauf bleibt die Opposition schuldig.
* Aus: Neues Deutschland, 25. Juni 2008
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