Bericht belegt Massaker in Pando
Kommission untersuchte Terrortat der bolivianischen Reaktion
Von Benjamin Beutler *
Was am 11. September im bolivianischen Amazonas-Departamento Pando geschah, war ein Massaker. Zu diesem Ergebnis kommt ein Bericht.
Der Report wurde am Dienstag (25. Nov.) an die derzeitige Vorsitzende der Union Südamerikanischer Staaten
(UNASUR), Chiles Präsidentin Michelle Bachelet, übergeben. Die Untersuchungskommission aus
Juristen, Forensikern, Kriminologen und Anthropologen war auf einer Krisensitzung der UNASUR
(alle Staaten Südamerikas außer Französisch-Guayana) gebildet worden, die im September in
Reaktion auf einen Putschversuch der konservativen Tiefland-Opposition gegen Boliviens ersten
indigenen Präsidenten Evo Morales zusammengekommen war.
Trauriger Höhepunkt des laut Regierungspartei Bewegung zum Sozialismus (MAS) gescheiterten
»bürgerlich-präfekturalen Staatsstreichs« war ein bewaffneter Hinterhalt, den Angestellte der
örtlichen Departamento-Präfektur unter Leitung des derzeit in Haft sitzenden Präfekten Leopoldo
Fernández und von ihm formierte Bürgerwehren gelegt hatten. Mit Automatik-Gewehren
ausgerüstet, überfielen sie einen Demonstrationszug von rund 1000 MAS-Anhängern, die sich in der
Provinzhauptstadt Cobija versammeln wollten. Zuvor hatten die Gegner der von der MAS
proklamierten »demokratisch-kulturellen Revolution« staatliche Institutionen wie das Büro für
Agrarreform besetzt, um eine Bodenreform zu verhindern.
Rodolfo Mattarollo, Leiter der »Wahrheitskommission« und renommierter Menschenrechtler,
bestätigte zuletzt die Version einseitiger Aggression: »Was in Pando geschehen ist, war ein
Massaker; das ist genau der Begriff, den die internationalen Protokolle für diese Art von Ereignissen
vorsehen.«
Regierungsfeindliche Privatmedien verbreiten bis heute die Nachricht, die vor allem indigenen
Bauern seien bis an die Zähne bewaffnet gewesen, die Toten Opfer engagierter Notwehr seitens der
Fernández-Funktionäre. Schon vor einer Woche hatte Mattarollo ein Video präsentiert, das den
Expräsidenten des bolivianischen Senats, José Villavicencio, in eindeutiger Angriffspose zeigt.
»Wenn Evo Blut will, dann soll er Blut bekommen«, schreit der erklärte Morales-Gegner in die
Kamera. Der UNASUR-Bericht belegt, wie brutal vorgegangen wurde. Drei Jugendliche wurden
»exekutiert«, ihre toten Körper anschließend verstümmelt. Mindestens 18 Bauern wurden getötet, an
die 70 sind nach ihrer Flucht bis heute verschollen. »Der einzige Weg, um die exakte Zahl der Toten
festzustellen, wäre eine Volkszählung oder die Untersuchung anhand von Zeugenaussagen, was
fast unmöglich ist. Unter den Bauern herrscht große Angst. Allein die Vorstellung, Anzeige zu
erstatten, erscheint diesen besitzlosen Menschen geradezu irreal«, sagt Mattarollo. Dennoch
bezeichnete er die Arbeit der Kommission als »einmalig«. Zum ersten Mal in der Geschichte des
Kontinents habe ein solches internationales Team zwecks unparteiischer Verbrechensaufklärung
zusammengearbeitet. EU und UNO hätten die Untersuchung begrüßt. Keiner solle straffrei
ausgehen, auch nicht hohe Politiker wie Fernández oder Villavicencio, empfiehlt die Kommission
Boliviens Regierung. Was der Bericht nicht sagt: Beide sind führende Mitglieder der Stiftung FUNDAPPAC, Partner der Konrad-Adenauer-Stiftung der CDU.
* Aus: Neues Deutschland, 27. November 2008
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