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Ein scharfes Schwert

Boliviens Senat verabschiedet Gesetz zur Korruptionsbekämpfung. Heftige Angriffe der Opposition

Von Benjamin Beutler *

Boliviens Justiz kann endlich effektiv gegen korrupte Politiker vorgehen. Am Mittwoch verabschiedete der bolivianische Senat mit der Zweidrittelmehrheit der Regierungspartei »Bewegung zum Sozialismus« (MAS) das »Gesetz zur Bekämpfung der Korruption und der illegalen Bereicherung sowie zur Vermögensüberprüfung«. Das Gesetz sei ein Mittel, um »Gerechtigkeit zu schaffen, nicht um Rache zu üben«, hob Boliviens Präsident Evo Morales hervor. »Es handelt sich um ein schlagkräftiges, sehr starkes und drastisches Gesetz. Doch nur so können wir ein Zeichen setzen, damit sich das Verhalten und die Mentalität der Menschen endlich ändert«, fügte Vizepräsident Álvaro García Linera hinzu. »Korruptionsfälle, die vor 20 Jahren begangen wurden, werden jetzt verfolgt, untersucht und bestraft«, unterstrich die für Korruptionsbekämpfung zuständige Ministerin Nardy Suxo. Die Opposi­tion, die in der seit Montag dauernden Senatsdebatte vor allem gegen die Unverjährbarkeit von Korruptionsdelikten protestiert hatte, warnte vor dem Beginn einer »Hexenjagd«. Das Gesetz sei ein »Vorwand zur Übernahme der Kontrolle aller staatlichen Institutionen«, warnte der Vorsitzende der Rechtspartei »Nationaler Zusammenhalt« (CN), Germán Antelo. »Die Ratte kann den Käse nicht bewachen«, griff Antelo Ministerin Suxo an.

Der laute Protest wundert nicht, war es doch die gesamte alte Elite, die sich ihre Loyalität zu allen Militärdiktaturen mit illegalen Landschenkungen und Pfründen belohnen ließ. Seit 1996 war es den konservativen Parteien immer wieder gelungen, Antikorruptionsgesetze zu verhindern. Erst die neuen Stimmenverhältnisse seit den Dezemberwahlen 2009 haben den Weg nun frei gemacht.

In der Tat ist das neue Gesetz mit seinen 38 Paragraphen ein scharfes Schwert. Es gilt rückwirkend, kennt nur in Ausnahmen Verjährung und nimmt keine Rücksicht auf Immunität oder Sonderstellung von Ministern, Parlamentariern, Staatsbediensteten oder Funktionären. Es erlaubt die strafrechtliche Verfolgung von öffentlichen Amtsträgern, die sich auf unerlaubte Art und Weise an den Gütern des Staates bereichert haben, sowie an plötzlich reich Gewordenen, die den Ursprung ihres Vermögens erklären müssen. Die Strafen reichen von Enteignung des Privatbesitzes bis zu Gefängnisstrafen von 14 Jahren. Nicht wenige Politiker aus alten Zeiten müssen nun mit Post von der Staatsanwaltschaft rechnen. Allein gegen den nach seiner Wahlniederlage bei der Präsidentschaftswahl 2009 in die USA geflüchteten Expräfekten von Cochabamba, Manfred Reyes Villa, liegen zahlreiche Vorwürfe vor. Mit Staatsgeldern soll er reihenweise Geländewagen und Luxusautos gekauft haben und an seine Verwandte und Günstlinge weitergegeben haben. Auch gegen den ebenfalls flüchtigen Expräfekten von La Paz, José Luis Paredes, ermitteln die Behörden wegen Veruntreuung von Steuergeldern in Millionenhöhe.

* Aus: junge Welt, 5. März 2010


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