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Eine Falcon 900EX für Evo Morales

Boliviens Staatspräsident hat sein anfälliges Flugzeug ausgemustert und sich ein neues geleistet

Von Benjamin Beutler *

Endlich kann Boliviens Präsident ohne Angst vor einer Bruchlandung abheben. Anlässlich einer jüngsten Reise ins ferne Südkorea stieg Evo Morales erstmalig in seine neue Präsidentenmaschine. Für knapp 30 Millionen Euro hatte die Regierung eine Falcon 900EX des französischen Flugzeugbauers Dassault erworben. Eigentlich war der Jet für den Chef von Englands Fußballklub Manchester United konstruiert worden, der die Bestellung jedoch kurzfristig zurückzog. Also schlug Bolivien zu, nach langer Suche kaufte das Andenland die Maschine vor wenigen Wochen.

Seit seinem Amtsantritt im Januar 2006 reist der sozialistische Staatschef mehr als riskant. Mit seiner 35 Jahre alten »Sabreliner« aus den USA waren Notlandungen und technische Pannen an der Tagesordnung, Verspätungen geradezu chronisch. Aus Sorge um seine Sicherheit lieh ihm 2006 sein politischer Verbündeter aus Venezuela, Hugo Chávez, vier Hubschrauber der Venezolanischen Luftwaffe samt Piloten und Technikern. Doch brachten Morales die »Super Pumas« wenig Glück. Zwei Helikopter stürzten spektakulär ab und rissen die Besatzungen in den Tod. Beim letzten Crash im Juli 2008 war der Chef der »Bewegung zum Sozialismus« (MAS) nur Stunden zuvor ausgestiegen. Ein Attentat sei nicht die Absturzursache gewesen, wies die Regierung sämtliche Komplottspekulationen ins Reich der Fantasie.

Doch scheint die seltsame Pechsträhne des ersten indigenen Präsidenten des Landes in Sachen Lufttransport nicht abzureißen. Kaum gekauft ereignete sich ein mehr als bizarrer Vorfall auf dem Internationalen Flughafen von El Alto nahe der Hauptstadt La Paz. Nur um wenige Meter zischte eine Panzerabwehrrakete an der frisch erstandenen Präsidentenmaschine vorbei, laut der Bolivianischen Luftwaffe war diese »versehentlich« von einem Kampfflugzeug abgefeuert worden. Das Geschoss sei nicht scharf gewesen, die peinlich berührten Militärs hätten im militärischen Bereich des Airports »nur geübt«, das eigentliche Ziel sei ein alter Panzer gewesen.

Wer nun denkt, dass Morales sofort die Gangway hinaufkletterte, um in alle Welt zu fliegen, hatte sich gewaltig geirrt. Das ganze Land schüttelte mit dem Kopf: Es ließ sich kein Pilot auffinden, der über die 100 erforderlichen Flugstunden verfügte, um den Jet zu fliegen.

Auch die Opposition wollte vom Millionenkauf profitieren und schlug Alarm. Während Boliviens Luftwaffe unter Hochdruck und mit Unterstützung des Lieferanten ihre Piloten trainierte, skandalisierte die Rechte die Ausgaben als übertrieben. Morales sei »ein kleiner Junge mit teurem Spielzeug aus Steuergeldern«. Die Regierung wies diesen Vorwurf weit von sich. Es handele sich um ein »Arbeitsinstrument« des Präsidenten, seine Sicherheit und die der Minister stehe an oberster Stelle.

Doch ist man vorsichtig geworden. Falls trotzdem etwas passieren sollte, haben sich die Bolivianer abgesichert. Wie Regierungsminister Oscar Coca informierte, sei die FAB-001 für eine Viertelmillion Euro versichert. Auch für das Wohlergehen des Präsidenten wurde vorgesorgt und das Fluggefährt eigens von einem indigenen Schamanen geweiht.

* Aus: Neues Deutschland, 8. September 2010


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