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Rechter Haß

Boliviens Opposition verschärft Kampf gegen Regierung. Anschläge auf venezolanische und kubanische Einrichtungen

Von Benjamin Beutler *

Am Montag (22. Okt.) sind in der ostbolivianischen Millionenstadt Santa Cruz in kurzer Folge zwei Sprengsätze detoniert. Die erste Bombe explodierte in der Nähe des venezolanischen Konsulats, eine weitere vor einer Unterkunft für Ärzte und Botschaftspersonal aus Kuba. Aufgrund der schwachen Sprengkraft kam es zu geringen Sachschäden, Menschen wurden nicht verletzt. In einem ersten Polizeibericht zum Geschehen, das Präsident Evo Morales als »terroristischen Akt« verurteilte, ist von »Unbekannten« die Rede, »die Sprengsätze aus vorbeifahrenden Autos warfen«. Schon vor anderthalb Monaten habe es einen ähnlichen Angriff mit einer Tränengasgranate gegen eine Unterkunft kubanischer Ärzte gegeben, sagte Rafael Dausá, Kubas Botschafter in Bolivien. Seit zwei Jahren bieten über 2000 kubanische Ärzte in dem Land kostenfreie medizinische Versorgung an.

Die Angriffe geschahen wenige Tage, nachdem Rubén Costas, Präfekt des oppositionell regierten Departements Santa Cruz, auf dem Flughafen Viru Viru eine Hetzrede gehalten hatte. Costas hatte das Gebäude am vergangenen Donnerstag (18. Okt.) mit einigen hundert bewaffneten Unterstützern gestürmt, nachdem zuvor eine 300 Mann starke Sondereinheit der bolivianischen Streitkräfte die Kontrolle über den zweitwichtigsten Flughafen des Landes übernommen hatte. Anlaß des Militäreinsatzes waren Beschwerden ausländischer Fluglinien über Erpressung vor Ort. Lokale Angestellten der staatlichen Firma AASANA hätten mehrfach »Landegebühren« in bar und »unter den Tragflächen« kassiert. Eine US-amerikanische und eine brasilianische Airline stellten daraufhin ihre Flüge ein. Auch der örtliche ­AASANA-Direktor war unter Korruptionsverdacht geraten, nachdem Unternehmensgelder auf seinem Privatkonto verbucht wurden. Die Übernahme der Kontrolle sollte diese offensichtliche Korruption beenden, durch die dem Fiskus enorme Verluste entstanden waren.

Doch hatte man in La Paz nicht mit der Präfektur und dem »Bürgerkomitee Pro Santa Cruz« gerechnet. Sie machen Venezuela für die Militäraktion verantwortlich, weil, so hieß es, am gleichen Tag ein venezolanisches Flugzeug in »Viru Viru« gelandet sei. Hunderte Oppositionelle stürmten daraufhin den Flughafen. Dabei wurde ein Soldat angeschossen. Nur durch das bedachtsame Verhalten der Militärs konnte ein Massaker verhindert werden. Nach der Erstürmung versammelten sich am Freitag (19. Okt.) mehrere tausend Regierungsgegner aus dem wohlhabenden und daher oppositionellen Departement vor dem Flughafengebäude. Vor dem Mob hetzte Gouverneur Costas gegen die Regierung Morales und die Allianz mit Venezuela. Dessen Präsident Hugo Chávez sei ein »Affe«, dem Morales blind folge. Er bezog sich dabei auf eine Äußerung des Venezolaners. Dieser hatte erklärt, Venezuela werde nicht tatenlos zusehen, wenn Boliviens Rechte den eingeleiteten Wandel gewaltsam aufhält.

Aus: junge Welt, 24. Oktober 2007


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