Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Terror aus dem Untergrund

Auch in Europa findet Boliviens separatistische Opposition Unterstützung

Von Benjamin Beutler *

Es ist kein Geheimnis, die schärfsten Gegner der Regierung »Bewegung zum Sozialismus« (MAS) setzen auf Bürgerkrieg und Spaltung des Vielvölkerstaates Bolivien. Erneut wurden am Freitag (8. Mai) in der Oppositionshochburg Santa Cruz drei Männer festgenommen bei dem Versuch, schwerkalibrige Waffen an Unbekannte zu übergeben. Dabei handelte es sich um Maschinenpistolen desselben Typs, wie sie Mitte April sichergestellt worden waren. Damals hatten Spezialkräfte der Polizei in Santa Cruz ein Hotel gestürmt und drei Männer einer mutmaßlichen Terrorzelle erschossen. Im Laufe der Untersuchungen verdichten sich nun Hinweise, die auf die Auftraggeber der aufgeflogenen Söldnertruppe hinweisen. Nach Angaben des Bandenchefs Eduardo Rózsa Flores waren sie ins Andenland gekommen, um die »Autonomie von Santa Cruz zu verteidigen«. In einem Interview, das der Kroatien-Krieg-Freiwillige von 1991 einem ungarischen TV-Sender vor seiner Abreise nach Südamerika Ende 2008 gegeben hatte, nannte er »fünf Männer« als Auftraggeber. Die Identitäten dieser Personen sind bis heute nicht geklärt.

Doch führen jüngste Untersuchungsergebnisse über mögliche Geldgeber direkt in die Industrie- und Handelskammer Santa Cruz (Cainco). Eindeutig bewiesen ist, daß der mittlerweile ins Ausland geflohene Cainco-Anwalt Alejandro Melgar Pereira in direktem Kontakt mit Flores stand. Er stellte die Verbindung her zu einem Mann, der Flores sein Auto verkaufte. Zudem bezahlte ein Berater der privaten Telekommunikationsfirma Cotas, Luis Alberto Hurtado Vaca, die Hotelrechnungen der Terroristen. In Cotas-Büros hielt sich Flores vor seinem Tod regelmäßig auf, wie Fotos zeigen. Auch entdeckte die Polizei hier ein Waffenarsenal mit Sprengstoff und Handgranaten. Das Unternehmerbündnis Cainco ist Sammelbecken der einflußreichsten Clans von Santa Cruz, denen auch Cotas gehört. Die europäischstämmige Oligarchie fühlt sich von der Umverteilungspolitik der Regierung Morales bedroht.

Unterstützung findet sie auch beim ungarisch-rumänischen Neofaschisten Tibor Révész, der sich im Dezember in Santa Cruz eigens mit Flores traf. Révész hatte 2002 die »Logia Secuiesti« (LS) gegründet, eine paramilitärische Organisation, die für die Abspaltung der rumänischen Region Székely kämpft, wo eine ungarische Minderheit lebt. Wie die bolivianischen Tieflandseparatisten gibt sich LS staatsfern und politisch neutral. Milizen würden allein für die »Verteidigung unserer Bürger« ausgebildet, die Logia verfolge »keinen politischen Zweck«, finanziere sich aus »privaten Mitteln«, so das LS-Statut. Der Chef betreibt zudem eine Sicherheitsfirma, die im Irak Aufträge der US-Regierung und von Ölunternehmen ausführt. Weiterer Schwerpunkt ist die paramilitärische Ausbildung von »Sicherheitspersonal und Geschäftsleuten«. Trainingsmethode ist das nach außen unverdächtige, als Freizeitsport daherkommende Militärspiel Airsoft, bei dem Nahkampf und Militärtaktik mit ungefährlichen Waffen trainiert wird. Erst kürzlich hatten in Bolivien Fotos für Aufsehen gesorgt, bei denen Airsoft-Spieler in Kampfmontur und Santa-Cruz-Flagge posierten.

* Aus: junge Welt, 13. Mai 2009


Zurück zur Bolivien-Seite

Zurück zur Homepage