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Union sorgt sich um Söldnerbande

Europäisches Parlament fordert Freilassung eines rechten Separatisten in Bolivien

Von Benjamin Beutler *

Mehrere Europaabgeordnete, darunter auch zwei deutsche Unionspolitiker, machen sich für zwei EU-Bürger stark, die seit 2009 ohne Verurteilung in Bolivien im Gefängnis sitzen. Den Männern werden derzeit in einem Gerichtsverfahren Terrorismus, Attentatspläne gegen Präsident Evo Morales sowie der Versuch, die Regierung der »Bewegung zum Sozialismus« (MAS) zu stürzen, vorgeworfen. In einem Ende November verabschiedeten interfraktionellen Entschließungsantrag an das Europäische Parlament fordern unter anderem Michael Gahler (CDU) und das CSU-Vorstandsmitglied Bernd Posselt ein »faires und unabhängiges Gerichtsverfahren« für den Ungarn Elod Tóásó und den Kroaten Mario Tadic. Die Initiative wurde mit 54 von 61 abgegebenen Stimmen angenommen.

Erstaunlich ist, für wen die Parlamentarier ihre Stimme erheben. Tóásó und Tadic sind Mitglieder einer von Boliviens Separatistenbewegung im Tiefland angeheuerten Söldnertruppe. Am 16. April 2009 hatte ein Kommando aus Mitgliedern des Inlandsgeheimdiensts und der Spezialeinheit UTARC mehrere Zimmer des Hotels »Las Americas« gestürmt und die beiden festgenommen. Der ungarisch-bolivianische Bandenchef Eduardo Rózsa-Flores, der Rumäne Árpád Magyarósi und der Ire Michael Martin Dwyer kamen während des Einsatzes zu Tode.

Tóásó war der Kommunikationstechniker der Gruppe. Auf sichergestellten Bildern posiert der 33jährige mit einem Scharfschützengewehr in einem T-Shirt der Separatistenbewegung. Seine Schwester erklärte, ihr Bruder sei Mitglied der rechtsradikalen »Legio Siculis«. Die paramilitärische Organisation kämpft für die Abspaltung ungarisch besiedelter Regionen in Rumänien an ein völkisches »Groß-Ungarn«. Tadic, kroatisch-bolivianischer Herkunft, hatte sich im Jugoslawien-Krieg in einer internationalen Söldnertruppe gegen Serbiens Bundesarmee verdingt. Während des kroatischen Sezessionskriegs lernte er Rózsa-Flores kennen.

Nach dem MAS-Wahlsieg Ende 2005 wurden separatistische Kräfte auch in Bolivien aktiv. Nachdem sie die Macht in La Paz eingebüßt hatte, ging die Tieflandelite auf Konfrontationskurs. Die Kosten für Sold, Flugtickets, Restaurantbesuche und Hotelaufenthalt der Söldner wurden aus einer Kriegskasse beglichen, in die Unternehmerschaft, Präfektur und das Bürgerkomitee Santa Cruz mit Wurzeln in Europa eingezahlt hatten. Die Bürgerkriegsexperten aus dem Ausland verübten Sprengstoffanschläge auf Politiker, und bildeten Milizen aus. Als Erdölpipelines in die Luft flogen, Autonomieanhänger Regierungsgebäude stürmten und MAS-Anhänger mit Widerstand drohten, steuerte das Andenland auf einen Bürgerkrieg zu.

Die EU-Parlamentarier in Strasbourg sorgen sich nun um die Dauer der Untersuchungshaft der Angeklagten. Diese sei »rückwirkend von zwölf auf 36 Monate erhöht worden«, bemängeln sie einen Verstoß gegen »grundlegende Menschenrechte«. Boliviens Strafprozeßordnung läßt dies jedoch explizit zu. Die Justiz sei zudem von der Regierung gelenkt. Als Beweis wird ein »breit zugänglich gemachter« Abschlußbericht eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses zu den Aktivitäten der Terrorgruppe skandalisiert. Dieser beruhe »auf eigenen politischen Untersuchungen des Falles durch das bolivianische Parlament«, so die krude Kritik. Nationalem Recht folgend war der Ausschuß in La Paz mit Zweidrittelmehrheit eingesetzt worden, auch die Opposition arbeitete darin mit. Ganz auf Linie der Angeklagten und ihrer Fürsprecher am rechten Rand macht der EU-Antrag die Täter zu Opfern und fordert eine »unabhängige Untersuchung der Todesfälle« unter »Einbeziehung internationaler Sachverständiger«. Zudem gelte es, »Elod Tóásó unverzüglich freizulassen«.

La Paz bewertet das als »Einmischung in innere Angelegenheiten«. Pikant aus deutscher Sicht ist, daß auch Steuergelder aus Deutschland über Umwege an die Terroristen geflossen sein könnten. Die bolivianische Strafverfolgungsbehörde für Finanzkriminalität ermittelt wegen des Verdachts auf Finanzierung der Terrorgruppe gegen den 2011 verhafteten Exvorsitzenden der Stiftung »Fundacion Amérida«, Fernando Paz Serrano. Dessen Organisation war bis dahin Partner der CDU-nahen »Konrad-Adenauer-Stiftung«.

* Aus: junge Welt, Montag, 2. Dezember 2013

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