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Morales im Hungerstreik

Rechte Opposition will anstehende Wahlen im Dezember verhindern

Von Benjamin Beutler *

In Bolivien tobt der Kampf um die anstehenden Präsidentschafts- und Parlamentswahlen im Dezember. Die Rechte habe »politische Angst vor dem Volk«, so Staatspräsident Evo Morales, der sich seit fünf Tagen im Hungerstreik für ein ausstehendes Wahlgesetz befindet. »Ich bin bei Dir, so wie alle Völker Amerikas für diese noble Sache«, brachte Venezuelas Präsident Hugo Chávez seine Solidarität zum Ausdruck. Auch aus Kuba kam Beistand. »Keiner kann bestreiten, daß er diese Schlacht gewinnen wird – und zwar ohne den Einsatz von Gewalt oder Machtmißbrauch«, gratulierte Fidel Castro gen La Paz. In ganz Bolivien schlossen sich bis Montag (13. April) Hunderte dem Hungerstreik für die Demokratie an. Die neue Magna Charta von Ende Januar 2009 hatte eine Novelle der Wahlgesetzgebung innerhalb von 60 Tagen vorgeschrieben. »Sicherlich wird die Regierung in den kommenden Wahlen erneut bestätigt«, so Morales. »Sie wollen nicht erneut besiegt werden«, erklärt sich Morales die Wahl-Blockade von rechts.


Letzte Meldung:

Erfolgreicher Hungerstreik

Das bolivianische Parlament in La Paz hat am Dienstag früh (14. April) nach neunstündiger Debatte eine Wahlrechtsreform beschlossen. Präsident Evo Morales und seine Anhänger beendeten daraufhin ihren knapp einwöchigen Hungerstreik. Mit der Wahlrechtsreform können die Parlaments- und Präsidentenwahlen auf den 6. Dezember vorgezogen werden. Eine Anfang des Jahres beschlossene Verfassungsreform ermöglicht es Morales, für eine zweite fünfjährige Amtszeit zu kandidieren. Wegen des anhaltenden Widerstands der rechtsgerichteten Opposition gegen das neue Wahlgesetz war Morales am Donnerstag vergangener Woche mit 14 Gewerkschaftsführern in einen Hungerstreik getreten. Das Foto zeigt Anhänger des Präsidenten am Dienstag in La Paz.
(jW, 15. April, 2009)



Immer wieder hatte die national zersplitterte Opposition, die im Senat noch die Mehrheit innehat, die Verabschiedung eines Wahlgesetztes aus »juristischen Gründen« abgelehnt. Den Wahlregistern fehle es an Transparenz, Wahlbetrug durch die Regierungspartei »Bewegung zum Sozialismus« (MAS) sei wahrscheinlich, so die MAS-Gegner. »Ihre illegalen Autonomie-Referenden wurden mit den jetzt in Frage gestellten Wahlregistern durchgeführt. Das ist nur ein Vorwand, damit es keine Wahlen gibt«, so Morales. 2008 hatten die rechten Präfekten der Tiefland-Departamentos eigenmächtige Volksbefragungen für mehr Selbstverwaltung abgehalten. Die Organisation Amerikanischer Staaten (OAS), Vereinten Nationen (UN) und die Jimmy-Carter-Stiftung hatten das Wahlregister zuletzt beim Verfassungsreferendum als »zuverlässig« eingestuft.

Zu turbulenten Szenen im Senat war es am Donnerstag gekommen. Auf die gezielte Provokation in Richtung MAS-Senatspräsident Álvaro García Linera (»Du schwuler Feigling!«) antwortete dieser ohne Umschweife (»Sie sind doch ein Idiot!«). Dies nahm die Rechte zum willkommenen Anlaß, um den Sitzungssaal geschlossen zu verlassen, wobei es zu Handgemengen und Prügeleien mit aufgebrachten MAS-Politikern kam. Nach vier Tagen Boykott erklärte sich die Rechte zu neuen Verhandlungen im Kongreß bereit. »Wir werden den Kongreß jetzt nicht eher verlassen, bis daß ein neues Wahlgesetz verabschiedet ist«, kündigte Álvaro García Linera in der Nacht zum Montag an. »Wir werden bis in den Morgen arbeiten, ich werde die Sitzung nicht erneut verschieben«, so Linera.

Am Sonntag (12. April) dann ging der MAS auf den Wunsch nach Revision der nationalen Wahlregister ein. Das Oberste Nationale Wahlgericht (CNE) erklärte sich bereit, die Eintragungen der 4,3 Millionen Bolivianer im In- und Ausland zu überprüfen. Die Kosten von 35 Millionen US-Dollar für die Erstellung eines biometrischen Registers (Digitalisierung von Fingerabdrücken, Foto und Unterschrift) werde mit Geldern bezahlt, die für den Neukauf eines Präsidenten-Flugzeuges veranschlagt waren. Auch Kanada habe eine Spende von 18 Millionen Dollar angekündigt. Doch hat sich die regional aufgestellte Opposition ein Eigentor geschossen. In den kommenden drei Monaten werde es laut CNE »keine anderen Wahlbefragungen« geben. Damit sind auch die Autonomie-Referenden in den Departamentos La Paz, Cochabamba, Chuquisaca, Oruro und Potosí erst einmal auf Eis gelegt – fünf verlorene Chancen der Morales-Gegner. Auch die erstmalige Möglichkeit für die 300 000 im Ausland stimmberechtigten Bolivianer, an den Wahlen teilzunehmen, könnte am Ende zu Gunsten von Präsident Morales ausfallen.

* Aus: junge Welt, 14. April 2009


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