Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Olympia ohne Lukaschenko

Großbritannien lässt Präsidenten von Belarus nicht einreisen

Von Irina Wolkowa, Moskau *

Über 130 Staatschefs werden der Eröffnung der Olympischen Sommerspiele in London beiwohnen. Alexander Lukaschenko, Präsident von Belarus, ist nicht darunter. Großbritannien weigerte sich, ihm das Einreisevisum auszustellen.

London berief sich auf Sanktionen der EU gegen Lukaschenko und andere Spitzenpolitiker des Landes. Die waren mit Menschenrechtsverletzungen in Belarus begründet worden, darunter Manipulationen der Ergebnisse bei den Präsidentenwahlen 2010 und brutales Vorgehen der Polizei bei anschließenden Protesten.

Das Präsidentenamt in Minsk kommentierte die Entscheidung bisher nicht, sie traf Lukaschenko aber offenbar nicht unvorbereitet. Olympia, sagte er bei der Eröffnung des Kulturfestivals »Slawischer Basar« am 12. Juli in Witebsk, könne von dessen Veranstaltern lernen. Die Spiele seien politisch aufgeladen, der Basar dagegen eine »Insel des Freigeistes und der Unabhängigkeit«.

Die Reaktionen auf den Bann fielen gemischt aus - in Russland wie in Belarus. Die Trennung von Sport und Politik gehöre zu den Prinzipien der olympischen Idee, rügten sogar die Kommentatoren kritischer Sender wie Radio »Echo Moskwy«. Ähnlich äußerte sich der Chef des russischen Nationalen Olympischen Komitees (NOK), Alexander Schukow. Lukaschenko sei auch Präsident des belarussischen NOK und habe daher ein Recht auf Anwesenheit bei den Spielen, gab die in Belarus populäre unabhängige Sportzeitung »Pressball« zu bedenken. Die Einreisesperre verstoße gegen die Olympische Charta. Das Blatt verschwieg allerdings, dass die Visaerteilung souveränes Recht des Gastgeberlandes ist. Darauf hat das Internationale Olympische Komitee keinen Einfluss.

Auch Oppositionspolitiker Jaroslaw Romantschuk, der bei den Wahlen 2010 gegen Lukaschenko kandidierte, hält das Verbot für überflüssig. Die Welt wisse auch so, was sie von Lukaschenko zu halten hat. Ein weiterer Präsidentschaftskandidat - Grigori Kostusjow - lobte das Einreiseverbot dagegen. Ebenso Stanislaw Schuschkewitsch, ehemaliger Parlamentspräsident und erbitterter Gegner Lukaschenkos, selbst mit Ausreiseverbot belegt. Er hofft, dass der britische Beschluss nur der erste Schritt zu einem allgemeinen Boykott der Eishockeyweltmeisterschaft 2014 in Belarus ist.

* Aus: neues deutschland, Freitag, 27. Juli 2012


Zurück zur Belarus-Seite (Weißrussland)

Zur Großbritannien-Seite

Zurück zur Homepage