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"In der Öffentlichkeit kritisieren sie uns, tatsächlich aber lieben sie unser Land"

Der Präsident von Belarus, Alexander Lukaschenko, äußert sich zu den komplizierten Beziehungen zur EU *


Am 8. Mai 2012 hat der Präsident der Republik Belarus Alexander Lukaschenko die traditionelle Jahresansprache zur Lage der Nation vor dem Parlament gehalten. Dabei hat sich das Staatsoberhaupt zu den aktuellen außenpolitischen Angelegenheiten geäußert. Wir dokumentieren im Folgenden die offizielle Presseerklärung der Botschaft von Belarus, worin auch über das konfliktreiche Verhältnis zur EU gesprochen wird.

Präsident der Republik Belarus A.Lukaschenko über die aktuellen Fragen der Außenpolitik

Der Präsident bekräftigte die Bereitschaft von Belarus zum Dialog mit der EU und hob hervor, das „man auch in der Europäischen Union versteht, dass es in der Republik Belarus nicht weniger Demokratie als im Westen gibt“. „Belarus wird oft von außen wegen der angeblich unzureichenden Demokratie kritisiert. Diese Beschuldigungen sind schon seit langem zu einem Ritual geworden“, so A.Lukaschenko.

„Es gab einen Konflikt mit den EU-Botschaftern. Es ist kein Geheimnis, dass das nicht nur für die EU, aber auch für uns eine peinliche Frage war ... ich war aber angenehm überrascht, als ich erfahren habe, dass kein ausländischer Diplomat, der unser Land verlassen musste, das richtig gewollt hat. Bei allen Gesprächen gab es nur eine Zusammenfassung – ein schönes Land, ein gutherziges Volk, Ruhe auf den Straßen, zivilisiert, europäisch, nicht schlechter als in den anderen Ländern. In der Öffentlichkeit kritisieren sie uns, tatsächlich aber lieben sie unser Land und sagen, es gebe hier, in Belarus, nicht weniger Demokratie, als bei ihnen“, so der Präsident.

A.Lukaschenko betonte, dass die belarussische Seite auch nach der Präsidentschaftswahl 2010 den Dialog mit Europa und den USA weiterhin vertiefen wollte. Darunter war auch die Entwicklung der Zivilgesellschaft, des innenpolitischen Dialogs, der Ausbau des politischen Systems gemeint. „Der Westen und seine Anhänger haben aber anders entschieden. Sie haben nicht nur den Dialog verweigert, sondern auch unser Land mit Druck und Sanktionen angegriffen“, unterstrich das Staatsoberhaupt. „Ich hoffe, heute haben alle verstanden, dass es ein Weg in die Sackgasse ist. Wegen der eigenartigen europäischen Politik ist viel Zeit verlorengegangen, unsere Position bleibt aber unverändert – wir sind zum Dialog bereit“, hieß es in der Ansprache.

A.Lukaschenko glaubt, dass die Meinungsverschiedenheiten zwischen Belarus und dem Westen durch Dialog und nicht durch Sanktionen und Verbote überwunden werden müssen. „Ja, wir haben unterschiedliche Ansichten über einige Aspekten der Gesellschaftsordnung … Die Sanktionspolitik ist aber vor allem deswegen fehlerhaft, weil sie nutz- und sinnlos ist“, betonte der Präsident.

Das Staatsoberhaupt bestätigte, dass die EU ein wichtiger wirtschaftlicher und politischer Partner von Belarus bleibe. Die EU belege den ersten Platz, was die belarussischen Exporte angeht und den zweiten Platz (nach Russland) im Handelsumsatz. Es gibt auch andere wichtige Kooperationsbereiche – Bekämpfung der illegalen Migration, des Drogen- und Waffenschmuggels.

„Es bleibt also nichts anderes übrig als den Dialog. Unsere nationalen Interessen sind ganz einfach. Umgangssprachlich gesagt, wollen wir mit allen in Frieden und Freundschaft leben, handeln und aufrichtig kooperieren … Belarus ist nicht nur an den guten Beziehungen mit den Nachbarn, sondern auch an der tiefsten Integration in alle Richtungen interessiert“, so A.Lukaschenko.

Als Mitglied des Gemeinsamen Wirtschaftsraums unterstützt Belarus die Idee der „Integration der Integrationen“. Dies bedeutet die Schaffung eines gemeinsamen Wirtschaftsraums von Lissabon bis Wladiwostok. „Unsere strategische Zukunft liegt darin, dass die zwei großen Unionen einander gegenüber nicht feindlich sein sollten. Sie sollten den Kontinent vereinigen, nicht teilen“, unterstrich der Präsident.

Die zwei existierenden außenpolitischen Vektoren – Osten und Westen – seien aber nicht ausreichend, um die langfristige Stabilität des Landes zu sichern. „Wir werden eine feste strategische Stellung nur dann beziehen, wenn wir eine dritte Säule für Belarus in der Außenwelt – in dem globalen Süden ausbauen werden“, hieß es in der Ansprache. Vor allem geht es um China. Das Staatsoberhaupt betonte, dass Belarus dort einen wichtigen Vorteil hat, weil das Land schon seit Jahren als strategischer Partner Chinas betrachtet wird. „Heute müssen wir die politischen Vorteile in die wirtschaftlichen Vorteile konvertieren. Genau das wird gemeint, wenn wir über den „großen Eintritt“ Chinas in Belarus sprechen“, so A.Lukaschenko.

* Quelle: Botschaft von Belarus in Deutschland, 10.Mai 2012; http://germany.mfa.gov.by


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