Moskau drückt auf Minsk
Belarus will verschlechterte Beziehungen zu Rußland durch Kooperation mit Blockfreien kompensieren
Von Tomasz Konicz *
Einem Bericht der Moskauer Tageszeitung Nesawissimaja Gaseta zufolge intensiviert die belarusische Führung ihre Bemühungen, die Isolation des Landes zu durchbrechen. Der im Westen gern als »letzter Diktator Europas« bezeichnete Präsident der Republik Belarus, Alexander Lukaschenko, konnte bis vor kurzem auf die Unterstützung Rußlands bauen.
Nachdem Lukaschenko die letzten Präsidentschaftswahlen souverän gewinnen konnte, verstärkt Moskau nun den Druck auf seinen westlichen Verbündeten. Ab 2007 will der russische, staatliche Gasmonopolist Gasprom den Preis für russisches, an Belarus zu lieferndes Erdgas von 46,68 US-Dollar auf 200 US-Dollar erhöhen. Die russische Seite ließ in den kürzlich gescheiterten Verhandlungen durchblicken, daß ein Verkauf der belarussischen Gastransportgesellschaft Beltransgas (BTG) an Gasprom die Vervierfachung des Gaspreises in Belarus zumindest für einige Zeit aufschieben würde. Um aber dauerhaft von niedrigen Energiepreisen zu profitieren, müsse Belarus in die russische Föderation eintreten, so die immer wieder geäußerte Forderung des Kreml.
Den russischen Begehrlichkeiten hat Lukaschenko schon Ende September eine klare Absage erteilt. »Eine derartige Steigerung des Gaspreises bedeutet eindeutig einen Abbruch jeglicher Beziehungen, insbesondere in der Wirtschaft«, erklärte der belarusische Präsident während einer Pressekonferenz in Minsk vor russischen Journalisten. Auf der vierstündigen Pressekonferenz polemisierte Lukaschenko gegen die Führung der einstmals als »Brudernation« bezeichneten Russischen Föderation. Bei einem Gaspreis von 200 US-Dollar würde Belarus mehr zahlen als Deutschland (186 US-Dollar), zudem werde Rußland durch diese Preiserhöhungen den letzten Verbündeten verlieren und sich damit gänzlich blamieren. Einem Beitritt zur Russischen Föderation lehnte Lukaschenko ebenfalls ab, da er nicht der letzte Präsident Belarus’ sein will und dies »zu einer Gewaltwelle führen würde, schlimmer als in Tschetschenien«.
Bislang schien es, als ob der im Westen verteufelte und boykottierte Lukaschenko wenig Optionen hätte, um den Druck Rußlands standzuhalten. Laut der Nesawissimaja Gaseta bemüht sich die belarusische Außenpolitik nun, ihre Zusammenarbeit mit etlichen, an der »Bewegung der Blockfreien Staaten« partizipierenden Nationen auszubauen. Ein Wendepunkt in dieser Hinsicht stellte das Gipfeltreffen der »Bewegung der Blockfreien Staaten« in Havanna Mitte September dar, an dem auch Lukaschenko teilnahm und offenbar breite Solidarität erfuhr. »Kann von einer Isolation die Rede sein, wenn wir von 120 Staaten der Welt unterstützt werden?« fragte Lukaschenko bei einer Pressekonferenz am Montag. Belarus wolle einen »weiten Bogen der Außenpolitik« schaffen. Dazu gehörten »die Karibik-Staaten, Venezuela, Südafrika, der Persische Golf, China, Iran, Malaysien und Vietnam«.
Der belarussische Präsident erörterte auch die konkreten Möglichkeiten der Zusammenarbeit mit den Dritte-Welt-Ländern. Viele von ihnen seinen reich an Rohstoffen, wodurch die Möglichkeit entstehe, sich von der Energieabhängigkeit von Rußland loszureißen. »Wir haben mit Venezuela vereinbart, die dortigen Ölvorkommen zu erschließen«, sagte Lukaschenko.
Der belarussische Politologe Andrej Fjodorow erklärte gegenüber der Nachrichtenagentur RIA Nowosti am Montag, die Äußerungen Lukaschenkos zeugten davon, daß der belarusische Staat versuche, seine »Außenpolitik zu diversifizieren« und daß diese Richtung wahrscheinlich überflüssig wäre, wenn die Beziehungen zu Rußland gut liefen.
* Aus: junge Welt, 12. Oktober 2006
Zurück zur Belarus-Seite
Zur Russland-Seite
Zurück zur Homepage