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Uniformierte Mörder

Bangladesch: Forderungen nach Auflösung paramilitärischer Polizeispezialeinheit

Von Thomas Berger *

Die Tage des Rapid Action Battalion (RAB) in Bangladesch sind offenbar gezählt. Aus dem In- und Ausland wächst die Kritik am Vorgehen der paramilitärischen Sondereinheit der Polizei, der jetzt möglicherweise sogar die Auflösung droht. Ausgerechnet die oppositionelle rechtskonservative Bangladesh Nationalist Party (BNP) der früheren Regierungschefin Begum Khaleda Zia, unter deren Amtszeit das RAB 2004 zur Verbrechens- und Terroristenbekämpfung ins Leben gerufen wurde, führt jetzt die Front die Rufer nach Abschaffung der Spezialeinheit an. Diese ist zwar nominell der Polizei unterstellt, führt aber weitgehend ein Eigenleben und besteht vor allem aus Mitgliedern, die vormals aus den verschiedenen Zweigen der Streitkräfte kommen und dort ihre Ausbildung erhalten haben.

Bei den Menschen im Land löst das Kürzel aber eher Angst und Schrecken aus. Denn die RAB-Angehörigen stehen in dem Ruf, im Zweifelsfall erst zu schießen und dann zu fragen. Wer einmal von ihnen verhaftet wurde, hat nicht die Gewähr, wieder lebend freizukommen. Die Liste an Kritikpunkten und Beschwerden, auch von renommierten Menschenrechtsgruppen auf globaler Ebene, ist lang. Das Faß zum Überlaufen gebracht hat nun aber offenbar der Tod von sieben Menschen im April, die offenbar kaltblütig ermordet wurden. Der Vorfall ereignete sich in der Stadt Narayanganj: Im dort vorbeiströmenden Fluß wurden am 30. April die Leichen von sechs der Entführten gefunden, tags darauf am 1. Mai trieben auch die sterblichen Überreste des siebten Opfers in den Fluten. Prominentestes Opfer ist der Bürgermeister Nazrul Islam. Sein Schwiegervater beschuldigte gegenüber der Presse ein Mitglied der Regierungspartei Awami Liga (AL), die Ermordung in Auftrag gegeben zu haben.

Premierministerin Sheikh Hasina Wajed betonte, daß alle Beteiligten an dem Verbrechen »unabhängig von Rang und Position« zur Verantwortung gezogen würden. Druck kommt von den Europäern. In einer gemeinsamen Pressekonferenz mit den Chefdiplomaten etlicher Mitgliedsländer der Europäischen Union in Bangladesch nutzte EU-Botschafter William Hanna am 7. Mai die Gelegenheit, umfassende Aufklärung der Verbrechen zu fordern. Mit den willkürlichen Entführungen und Tötungen müsse endlich Schluß sein, so die unmißverständliche Botschaft. Die EU hatte sich bereits kritisch in Zusammenhang mit der Parlamentswahl Anfang des Jahres geäußert, die von der BNP und deren islamistischen Verbündeten boykottiert worden war.

Bangladesch ist seit langer Zeit durch die erbitterte Fehde zwischen AL und BNP sowie deren beiden Spitzenfrauen gezeichnet. Wer immer sich gerade in Opposition befindet, versucht, die amtierende Regierung beispielsweise durch Massenstreiks lahmzulegen. Das rechtskonservativ-islamistische Lager ist inzwischen aber noch schlechter auf die linksliberale AL zu sprechen, seit deren Administration im Vorjahr begonnen hat, Verbrechen aus der Zeit des Unabhängigkeitskrieges (1971) zur Anklage zu bringen. Diverse heute hochrangige Parteiführer in der BJP und der Jamaat-e-Islami hatten damals mit den (west-)pakistanischen Soldaten kollaboriert, um den bengalischen Freiheitskampf zu unterdrücken. Erste Todesurteile wegen solcher Vergehen sind bereits gesprochen und vollzogen worden.

* Aus: junge welt, Freitag 16. Mai 2014


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