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Wahlversuch in Bangladesch

De-facto-Regierungschef Ahmed strebt demokratisches Votum im Dezember an

Von Hilmar König, Delhi *

Bangladeschs »Chefberater« Fakhruddin Ahmed, der seit Januar 2007 mit den Befugnissen eines Premiers regiert, hat jetzt Parlamentswahlen für den 18. Dezember angekündigt. Die politischen Parteien begrüßen das, bestehen zugleich aber auf einem sofortigen Ende des Ausnahmezustands. Der vom Militär gestützte Regierungschef Fakhruddin Ahmed verspricht Bangladesch freie, faire, glaubwürdige, neutrale und akzeptable Wahlen. Ziel des Votums sei eine reguläre Regierung, die von einem etablierten demokratischen Kurs nicht abweicht. Das war eine indirekte Aufforderung an die beiden Hauptparteien – die Awami Liga (AL) und die Bangladesh Nationalist Party (BNP) – ihre oft in gewaltsame Aktionen ausartende Feindschaft beizulegen und die Interessen des Volkes obenan zu stellen.

Die Parlamentswahl stellt die letzte Station in Ahmeds »Fahrplan zu wahrer Demokratie« dar. Er hatte im Januar 2007, drei Wochen vor fälligen Parlamentswahlen, die Macht übernommen, weil sich Aktivisten der BNP und der AL Straßenschlachten lieferten und ein faires Votum zu dieser Zeit nicht gewährleistet war.

Ahmeds erklärte Absicht war, Ordnung und Sauberkeit in die politische Landschaft zu bringen. Dazu ließ er die Wählerlisten überarbeiten und über eine Million »tote Seelen« aus den Registern entfernen, Personaldokumente mit Fotos für jeden Bürger ausstellen sowie Wahl- und politische Reformen einleiten. Und er initiierte eine Kampagne gegen Korruption, wie es sie bis dahin in Bangladesch noch nicht gab. Während das Land von 2001 bis 2005 noch als das korrupteste der Welt eingestuft worden war, verbesserte es sich laut jüngster Einschätzung der Organisation »Transparency International« nun immerhin um zehn Plätze.

Auch Khaleda Zia, die BNP-Vorsitzende, und Sheikh Hasina Wajed, Chefin der AL, kamen im Zuge dieser Kampagne – wie insgesamt rund 200 Politiker und Beamte – zeitweilig in Haft. Doch im Juni wurden Hasina Wajed und Anfang September Khaleda Zia sowie die meisten Angeklagten wieder frei gelassen. Das sei Teil eines »Deals« gewesen, in dem die politischen Parteien im Gegenzug ihre Teilnahme an den Parlamentswahlen zusicherten. Das jedenfalls verbreiteten politische Beobachter in Dhaka. Eine Bedingung der Vereinbarung setzte Ahmed aber bislang noch nicht um: Den Ausnahmezustand zu beenden, da sonst ein faires Votum kaum möglich wäre.

Die Öffentlichkeit wartet gespannt, ob sich die beiden Kontrahentinnen von BNP und AL wirklich zu einem »Aussöhnungsgespräch« treffen werden. Der frühere Staatsanwalt Rafique ul Haq, der beide in den Korruptionsprozessen verteidigte, bot sich als Vermittler für ein solches Treffen im Oktober an. Es soll Spannungen abbauen und ein günstiges demokratisches Klima fördern. Die Reaktion beider Frauen war angeblich positiv.

In der Bevölkerung ist die Hoffnung groß, dass es mit der Wahl am 18. Dezember einen echten Neuanfang gibt und sich der Verlierer mit dem Ergebnis abfinden wird. Ebenso setzt man darauf, dass es nicht wieder gewalttätige Proteste und Unruhen geben wird sowie die Parlamentssitzungen nicht wieder boykottiert werden. Das alles gehörte in der Vergangenheit zum Repertoire der politischen Parteien, die mehr als einmal Bangladesch an den Rand des Chaos brachten.

Zuvor aber muss es zu Wahlen mit den von Fakhruddin Ahmed genannten Attributen kommen. Noch sind nicht alle Zweifel ausgeräumt, ob er wirklich der Demokrat und »Saubermann« ist, als der er sich präsentiert. Und offen ist auch, welche Rolle das Militär zu spielen gedenkt.

* Aus: Neues Deutschland, 29. September 2009


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