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Bangladeschs Streitkräfte helfen aus

Ungewöhnliches in der Hauptstadt Dhaka: Soldaten verkaufen Gemüse

Von Hilmar König, Delhi *

Mit Unterstützung des Militärs versucht Bangladeschs Übergangsregierung seit Januar, das politische System zu säubern und Bedingungen für freie und faire Parlamentswahlen zu schaffen.

Seit Tagen bietet sich in Dhaka ein ungewöhnliches Bild: Uniformierte verkaufen Kartoffeln, Zwiebeln, Hülsenfrüchte, Knoblauch und Ingwer zu festen Preisen. Lange Käuferschlangen an 17 Behelfsläden beweisen, dass die von der Übergangsregierung unter »Chefberater« Fakhruddin Ahmed angeordnete Maßnahme Zustimmung findet. Damit soll der Preistreiberei gewissenloser Händler ein Riegel vorgeschoben werden. Seit Januar waren die Preise für verschiedene Grundnahrungsmittel um 30 bis 70 Prozent gestiegen. Die Armee hatte zuvor zahlreiche Lagerhäuser kontrolliert, die Qualität der Ware beanstandet und etliche Lager sogar schließen lassen. Die Händler antworteten mit einem Boykott und hielten die Produkte zurück. Der Einsatz der Streitkräfte soll inzwischen eine spürbare Preissenkung bewirkt haben. Die ungewöhnliche Mission ist ein weiteres Zeichen dafür, dass die am 11. Januar eingesetzte Übergangsregierung vom Militär unterstützt wird. Es hatte die Notbremse ziehen lassen, als das Land nach Monaten blutiger politischer Fehden zwischen den beiden Hauptparteien – der Nationalistischen Partei (BNP) und der Awami-Liga – im Chaos zu versinken drohte. Schon 45 Menschen hatten die Auseinandersetzungen mit dem Leben bezahlt. Eigentlich wollten die Generäle den politisch unverdächtigen Friedensnobelpreisträger Mohammad Junus zum »Chefberater« machen. Er ist unter den Armen in Bangladesch wegen seines Mikrokredit-Projekts populär. Doch Junus lehnte ab und schlug Fakhruddin Ahmed, einen ehemaligen Weltbank-Mitarbeiter, für den Posten vor. Kurz darauf überraschte Junus die Öffentlichkeit mit der Gründung einer Partei namens »Bürgermacht«.

Am Wochenende ((17./18. März) setzte der faktische Regierungschef Ahmed ein Zeichen, als er zum 88. Geburtstag des am 15. August 1975 ermordeten Sheikh Mujibur Rahman an dessen Grab einen Kranz niederlegte. Eine solche offizielle Würdigung für den »Vater der Nation« hatte es seit fünf Jahren nicht mehr gegeben. Die frühere Ministerpräsidentin Khaleda Zia (BNP) hielt das während ihrer Amtszeit nicht für nötig. Ahmed sorgte zudem dafür, dass einer der Mörder Mujibur Rahmans vorige Woche in den USA dingfest gemacht wurde. Der 60 Jahre alte ehemalige Major A.K.M. Mohiuddin Ahmed, in Bangladesch zum Tode verurteilt, hielt sich seit 1996 mit einem Touristenvisum in Kalifornien auf.

Wegen der politischen Krise waren die für den 22. Januar vorgesehenen Parlamentswahlen abgesagt worden. Ein neues Wahldatum steht noch nicht fest. Wahlkommissar Sakhawat Hossain erklärte: »Wir wollen nichts überstürzen. Hauptaufgabe sind freie und faire Wahlen.« Die wolle man sorgfältig vorbereiten. Bis Juli sollen alle Parteien, die daran teilnehmen wollen, registriert sein. Danach werden neue Wählerlisten erstellt, was mindestens sechs Monate dauern wird. Etwa 90 Millionen von 140 Millionen Bangladeschern sind wahlberechtigt.

Seit Februar ist überdies eine Kampagne gegen Korruption im Gange. Die Regierung sieht die Befreiung der politischen Strukturen von dieser Misere als Voraussetzung für transparente und faire Parlamentswahlen an. Rund 160 Politiker aus beiden Hauptparteien, darunter der Sohn von Khaleda Zia, sitzen inzwischen in Untersuchungshaft. Militärangehörige sind der Kampagne gegen Korruption bislang nicht erfasst worden.

* Aus: Neues Deutschland, 21. März 2007


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