"Historisches Urteil" in Bangladesch
Korruptionsverfahren gegen Ex-Premierministerin Wajed ungesetzlich / Bevölkerung will Wahlen
Von Hilmar König, Delhi *
Ein Gericht in Bangladeschs Hauptstadt Dhaka hat Mitte der Woche ein
»historisches Urteil« gefällt,
indem es den Korruptionsprozess gegen die frühere Premierministerin
Hasina Wajed als
ungesetzlich und nicht zulässig unter dem bestehenden Ausnahmezustand
bewertete. Die
Interimsregierung erhob umgehend Einspruch gegen das Urteil. Das Höchste
Gericht befasst sich
am Sonntag (10. Februar) mit dem Fall.
Hasina Wajed war am 24. Juli des vergangenen Jahres unter der Anklage
verhaftet worden, sie und
ihr Cousin, der damalige Minister Sheikh Salim, hätten während ihrer
Amtszeit als Premierministerin
von 1996 bis 2001 von dem Geschäftsmann Azam Jehangir Chowdhury
umgerechnet 440 000
Dollar kassiert und ihm dafür die Baugenehmigung für ein Kraftwerk
erteilt. Chowdhury entlastete
Frau Wajed mit der Bemerkung, er habe gegen sie gar keine Vorwürfe
erhoben, nur gegen Sheikh
Salim. Die Richter entschieden, dass das vorgeworfene Verbrechen, wenn
überhaupt, lange vor der
Ausrufung des Ausnahmezustands begangen worden sei und deshalb jetzt
nicht unter die
Notverordnungen fallen könne.
Hasina Wajed wies von Anfang an alle Anschuldigungen gegen sie als
»motiviert und
verschwörerisch« zurück -- um sie politisch auszuschalten. Die seit dem
11. Januar 2007 amtierende
und vom Militär des Landes unterstützte Interimsregierung unter
»Chefberater« (Premier)
Fakhruddin Ahmed initiierte 2007 eine Kampagne gegen die verbreitete
Korruption, in deren Verlauf
rund 150 Politiker vor Sondergerichten angeklagt wurden, darunter außer
Frau Wajed auch Ex-
Premierministerin Khaleda Zia.
Wenn das Höchste Gericht das Urteil bestätigen sollte, hätte das
Auswirkungen auf alle andere
Korruptionsverfahren und käme einem Schlag gegen die Säuberungskampagne
gleich. Deshalb der
sofortige Einspruch der Interimsregierung. Schließt sich das Höchste
Gericht dem Urteil nicht an,
übernimmt ein normales Gericht den Wajed-Prozess. Ihr und Salim drohen
Gefängnisstrafen bis zu
14 Jahren.
Hasina Wajed, die Tochter des 1975 ermordeten »Vaters der Nation« Sheikh
Mujibur Rahman, ist
die Chefin der Awami-Liga. Parteiführer kommentierten die jüngste
Entwicklung so: »Das Recht hat
sich durchgesetzt. Hasina Wajed muss sofort freigelassen werden.«
In der Bevölkerung macht sich unterdessen Unruhe breit. Die
Interimsregierung hat für Ende 2008
Parlamentswahlen angekündigt, macht jedoch keine Anstalten,
entsprechende Vorbereitungen
einzuleiten. Chefwahlkommissar Shamsul Huda richtete deshalb dieser Tage
einen Appell an die
Regierung, den Ausnahmezustand aufzuheben oder wenigstens für die
Gebiete abzuschwächen, in
denen im April Stadtratswahlen stattfinden sollen. Außerdem forderte er,
spätestens ab 20. März alle
politischen Versammlungen in geschlossenen Räumen zuzulassen.
Die Zeitung »Daily Star« schrieb dazu in einem Leitartikel: Es sollte
nicht vergessen werden, dass
die Ausrufung des Ausnahmezustands von der Öffentlichkeit begrüßt worden
war. Nach über einem
Jahr würde eben diese Öffentlichkeit wie auch das Ausland Signale der
Regierung erwarten, die auf
ein Ende des Ausnahmezustands und die Durchführung der Parlamentswahlen
deuten. Zumindest
müssten die Herrschenden in Dhaka glaubhaft erklären, was sie vorhaben.
»Politische Reformen, ob
auf nationaler Ebene oder in den Parteien«, so schlussfolgert das Blatt,
»können nicht greifen,
solange die bestehenden restriktiven Maßnahmen nicht gemildert oder
völlig aufgehoben werden.«
* Aus: Neues Deutschland, 9. Februar 2008
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